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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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was ich sah.
    "Das war ich ganz früher", flüsterte er, während meine schwebende Position über den grasbedeckten Hügeln mich ein wenig schwindelig machte: Ich hing hier zwar nicht ganz so hoch wie über Jacksons endlosem Ozean, aber der Boden sah vergleichsweise hart aus.
    Und während ich mit den Augen und mit warnend kribbelndem Magen dem endlosen Verlauf des Baches folgte, öffnete sich scheinbar unvermittelt ein Spalt in der Erde: erst zitternd und schmal, dann zunehmend breiter werdend. Der Boden vibrierte, der Spalt wurde zu einer Kluft, diese zu einem Tal - und schließlich brach die eine Seite ganz weg, fiel in einer riesigen Staubwolke in sich zusammen. Ich sah, wie der Bach brav weiter seinem Bett folgte, bis er auf die scharfkantige Klippe traf und dort unvermittelt ins Leere stürzte: Ein dramatischer Eindruck, und Davide nickte leise, als ich ihm das schilderte.
    "Ich war total fertig an diesem Tag. Ich habe mit meiner Mutter gestritten wie noch nie zuvor, ich wollte davonlaufen, sie nie mehr wiedersehen. Sie hat mir gesagt, dass ich niemals studieren werde, dass ich nur zum Bauer tauge, wie mein Vater."
    Ich drückte seine Hand, seine Augen waren feucht. So tapfer und doch so empfindlich, dachte ich, und seine Gefühle kamen mir ganz dumpf sehr bekannt vor: der uralte Kampf der Kinder gegen ihre Eltern, der unweigerlich Narben auf beiden Seiten hinterließ.
    Ich wollte meine Finger von seinen lösen, doch Davide hielt sie fest.
    "Noch mehr?", fragte ich ein wenig erstaunt, er nickte. 
    "Bitte."
    "Okay - überrasch mich", sagte ich, sah ihn grinsen, schloss die Augen, wartete auf seine Gedanken und hoffte, dass er nicht eine Erinnerung an einen Kindheitsalptraum mit Monstern unter dem Bett auspacken würde.
    Das Bild mit dem Bruch in der grünen Landschaft und dem über die Klippe stürzenden Bach blieb gleich, doch meine Perspektive änderte sich leicht. Ich wurde näher zur Klippe gedrückt und spürte, wie meine Hände nun angesichts der noch größeren Höhe tatsächlich ein wenig feucht wurden: Der Wasserfall trudelte mehrere hundert Meter den Abgrund hinab, bevor er auf einen kargen, erdigen Boden traf - ein wenig Gischt stieg auf, doch das Wasser versickerte nach kürzester Zeit in dem trockenen Boden. Ein trostloser Anblick, pure Verschwendung und sinnlose Vergeudung - ich erahnte, dass dies die Zeit nach dem Streit und vor unserer Begegnung gewesen war: eine Zukunft in diesem Tal voller Apfelbäumen, die in Stein gemeißelt schien und der der Junge nichts abgewinnen konnte, ein aus seiner Sicht leeres, freudloses Leben. Während ich noch dem versickernden Wasser hinterher sah, wurde das Rauschen des Wasserfalls hinter mir stärker. Ich wandte mich um: Aus dem schmalen Rinnsal wurde ein kräftigerer Schwall, ein starker Sog erfasste meinen Körper. Ich wurde in den Schwall gezogen, kühles Wasser prasselte meinen Körper hinab - ich fühlte mich geprüft und abgetastet, hing mehrere Minuten unter dieser fragenden Dusche. Als hätte ich die Prüfung bestanden, zog der Sog mich dann durch den Wasserfall hindurch und setzte mich in der schon bekannten Höhle ab - und während ich hinein schwebte, bemerkte ich, dass es über und unter mir ganz ähnliche Höhlen gab: Ich sah schattenhafte Gestalten darin, konnte aber niemanden wirklich erkennen. Die Gestalten winkten mir zu, der schwarze Schatten war auch wieder da, hielt sich neben mir. Ich ging bis an den Rand meiner Höhle und sah hinunter: Der trockene, erdige Boden war nicht mehr zu sehen, der Wasserfall verschwand erneut im Nichts, löste sich in purer Gischt auf.
    Ich hatte versucht, Davide meine Eindrücke halbwegs simultan zu erzählen, der schien so weit mit sich selbst ganz zufrieden zu sein und dankte mir sehr förmlich. Ich warf einen Blick auf die Uhr: Eine halbe Stunde, dann käme Jackson zurück und wir müssten uns für die Beerdigung umziehen. Josie hatte einheitliche Kostüme für die Frauen und Anzüge für die Männer besorgt, Davides hing mit meinem und Jacksons im Ankleidezimmer.
    "Kannst du mir noch was sagen?"
    Ich nickte.
    "Kannst du mir sagen ... wie ich dich mag?"
    "Äh ... was?"
    Ich verstand nicht sofort, was er meinte und Davide schlug ein bisschen verschämt die Augen nieder.
    "Du hast eben gesagt, dass Jackson dich liebt, während Gerard ... dich ... na ja. Und ich würde gern wissen, wie ich dich ... mag."
    Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn - jetzt tapste der tapfere Davide aber auf ein sehr dünnes

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