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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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Sven nestelte verlegen an seiner Uhr herum. Ciaran trat jetzt zum Sarg, nahm das schwarze Tuch ab, faltete es ordentlich zusammen und legte es sich über den Arm, dann dirigierte er uns sechs mit leisen Worten so um den Sarg herum, dass es von der Körpergröße her passte: Ich stand hinten, hatte Jackson und dann Pablo vor mir, auf der anderen Seite spiegelte mich Sven mit Shane und Peter vor ihm. Der Sarg hatte goldene Griffe, das kühle Metall lag schwer in meiner Hand, als wir ihn anhoben und uns auf die Schultern setzten. So leicht und wendig Jo im Leben gewesen war, so schwer war nun seine sterbliche Hülle in ihrem schützenden Holz: Ich ging angesichts des Gewichts und meiner Trauer ein wenig in die Knie, bis ich mich mit den anderen zusammenriss, mich straffte und innerlich für den Weg hinaus zum Grab bereit machte.
    Shara Die Frage, wer hier wen stützen sollte, war noch immer nicht geklärt, als ich an Davides Arm über den sonnengewärmten Vorplatz und den nach frisch gemähtem Gras duftenden Rasen hinüber zu der großen Eiche ging.
    Sie stand etwa in der Mitte des Innenhofs und Ciaran hatte mir erzählt, sie sei gepflanzt worden, nachdem der Orden die Burg übernommen hatte: Das machte sie vierhundert Jahre alt und damit etwa hundert Jahre älter als Joseph - die ungewohnten Zeitdimensionen ließen mich kurz schwindeln, Davide verstärkte besorgt den Druck seines Armes, ich beruhigte ihn mit einem milden Gegendruck.
    Ein schwarzer Teppich wies uns den Weg und ich war dankbar dafür, wenn auch nicht aus Sorge um meine hohen Absätze: Als Davide und ich in der Halle auf die anderen getroffen waren, schienen alle wie selbstverständlich davon auszugehen, dass ich ihnen vorangehen würde - niemand forderte das, ich merkte es an der Art, wie sie sich sich an mir ausrichteten, sich hinter mir aufstellten. Also hatte ich Davide meinen Arm gelassen, mit ihm die kleine Gruppe aus dem Haus geführt und draußen in dem Pfad aus Stoff einen unfehlbaren Wegweiser gehabt. Vor dem Baum teilte sich der Teppich, so dass wir rechts und links neben der Grube würden stehen können, an ihrem Kopfende war ein schlichtes Kreuz aus dem allgegenwärtigen grau-weißen Stein errichtet worden, daneben erwartete uns Andreas. Er streckte leicht seinen rechten Arm aus, als ich für eine halbe Sekunde zwischen den beiden Seiten des Grabes zögerte, kurz darauf stand ich neben ihm und spürte für einen Moment seine kräftige Hand in beruhigender Geste auf meinem Rücken. Ich löste meinen Arm aus Davides Umklammerung, griff dann aber doch nach seiner Hand, als ich die Blässe seines Gesichtes und seine hin und her irrenden Augen sah: Die Gischt seines Wasserfalls war noch kühler geworden, das Wasser dunkler, es ließ mich frösteln - ich senkte die Augen und wich innerlich bis an die Rückwand der Höhle zurück, um nicht auch noch seine Trauer in ihrer ganzen Wucht mittragen zu müssen.
    Die anderen verteilten sich zu beiden Seiten des Grabes, mit zögernden Schritten und gesenktem Blick. Ein Gerüst aus stabilen Holzbohlen war über die Grube gelegt worden, starke Stoffriemen lagen bereit, um den Sarg hinab zu lassen. Die Erde im Grab war dunkel, fast schwarz, sie schimmerte feucht und sah beängstigend organisch aus - ich spürte, wie mein Herz sich in Schmerz verkrampfte, als mir beim Anblick dieser Erde die Endgültigkeit des Abschieds von Joseph bewusst wurde. Sein Körper würde nicht in dieser Erde ruhen, wie es immer so beschönigend hieß: Er würde in ihr zerfallen, sich auflösen und eins werden mit dieser Schwärze, bis sie seine blanken Knochen aus der reinigenden Erde holen und in der Schwertkirche bestatten würden - hinter einer steinernen Grabplatte, in der Nähe des jetzt leeren Monolithen, dem Joseph sein Leben gewidmet hatte. Unsterblichkeit hin oder her: Die Wahrscheinlichkeit, dass auch ich eines Tages in solcher Erde liegen und mein Körper darin verrotten würde, dass mein Bewusstsein verlöschen und kein Gedanke, keine Empfindung mehr meinen Kopf oder mein Herz durchzucken würde, war keinesfalls geringer geworden - alterslos oder unsterblich zu sein bedeutete nicht, dass man untötbar war. Ich hatte vielleicht eine längere Frist bekommen, aber auch ich würde unweigerlich eines nahen oder fernen Tages so enden - in schwarzer, feuchter Erde, bewusstlos und gefühllos, kalt und tot.
    Ich begegnete an Josephs Grab für eine Sekunde der eiskalten Todesangst wieder, die ich schon im Pantheon kennen gelernt

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