Die Ewigen
lassen.
"Ich kann schon seit längerer Zeit erahnen, was Leute im Bezug auf mich fühlen. Das habe ich dir bislang nicht erzählt, hier wussten auch nicht alle davon. Diese Fähigkeit war nicht besonders stark: Ich musste jemanden schon sehr lange berühren, um etwas zu spüren - und ich habe auch nur dann etwas gemerkt, wenn derjenige besonders intensive Gefühle für mich hatte. Ich habe gespürt, dass Jackson mich liebt - und ich habe auch gespürt, dass Gerard mich ... begehrt, dass er bereit war, so ziemlich alles dafür zu tun, um mich haben zu können."
Davides Wangen färbten sich zart rot und so musste ich wenigstens nicht fragen, ob er mich verstanden hatte.
"Seit vorgestern ist das anders, ist das stärker geworden. Es funktioniert nun bei jedem Menschen und ich kann sofort in ihm ... lesen, sobald seine Haut meine berührt."
Jetzt stand sein Mund leicht auf, war sein Gesicht ein einziges Fragezeichen.
"Verstehst du, was das heißt?", erkundigte ich mich. "Wenn du mich eben umarmt und vielleicht auf die Wange geküsst hättest, dann hätte ich sofort gewusst, was in dir los ist: wie du dich fühlst, wie du mich siehst, was du für einen ... Charakter hast. Und du hättest davon rein gar nichts bemerkt."
Davide nickte langsam, verarbeitend und verstehend.
"Darf ich dazu was fragen?"
"Sicher."
"Kannst du ... weißt du genau, was ich denke? An ... eine Blume oder an einen Baum?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, so etwas nicht. Ich erkenne, was für ein Mensch du bist und wie es dir geht. Bist du gut oder böse, offen oder verschlossen, traurig oder glücklich? Und ich sehe immer auch, wie du zu mir stehst: ob du mich magst oder nicht, wie du mich magst."
Ich beugte mich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und kam ihm so ein ganzes Stück näher: Er wich nicht zurück. Tapferer kleiner Held, dachte ich und war erneut erstaunt von seiner scheinbar unendlichen Toleranz gegenüber meinen befremdlichen Fähigkeiten: Wenn ich morgen fliegen könnte, wäre er der Erste, der ein Ticket kaufen würde.
"Die anderen hier wissen, was mit mir los ist und sie werden versuchen, den Kontakt von Haut auf Haut bei mir zu vermeiden. Wenn ich die Burg verlasse, werde ich Handschuhe tragen, damit ich nicht ungefragt anderen Leuten in die Seele schaue, wenn ich ihnen die Hand gebe - und ehrlich gesagt auch, um mich selber davor zu schützen. Es kann schön, aber auch fies sein", fügte ich in Gedanken an Gerard und Drake hinzu.
"Aber auch nützlich, oder?"
Ich nickte, Davide dachte schnell. "Ja. Du kennst doch die Geschichte aus dem Pantheon, wo Giuseppe, dieser Priester dabei war? Er ist jetzt hier und auf seine Hand bin ich wirklich gespannt."
"Auf meine auch?"
Ich lachte - wie hatte mir der Junge mit seinen großäugigen wie auch direkten Fragen während meiner Fieberpause gefehlt!
"Ja, natürlich. Wenn du möchtest, erzähle ich dir alles, was ich sehe. Du solltest aber wissen, dass ich schon einmal ein wenig in dir gelesen habe: als ich dich in diesem Haus bei Drake umarmt habe. Du warst der Erste, bei dem ich es so ... heftig gemerkt habe, als wäre diese Fähigkeit entstanden, als ich den Raum betreten habe. Ich habe nur Minuten davor Magnus und Ciaran berührt und nichts Besonderes gespürt."
Davide sah ein bisschen stolz drein und ich musste lächeln: Erst die Heilung, dann dieses Gefühlelesen - Davide war jeweils der Erste gewesen, irgendwie war er wichtig.
"Du musst jetzt nicht Ja sagen, du musst überhaupt nie Ja sagen: Es ist deine freie Entscheidung. Ich könnte verstehen, wenn du nicht willst - ich würde auch niemals jemandem erlauben, so in mich hinein zu sehen. Aber bedenke: Wenn du nicht willst, werde ich dich nie wieder berühren können, ich werde dir noch nicht einmal die Hand geben können."
Davide schlug die Augen nieder, ich stand auf.
"Ich hole etwas zu trinken und du denkst darüber nach."
Ich ließ ihm Zeit: Ich füllte Eiswürfel in zwei Gläser, goss Cola darüber, stellte noch eine frische Flasche in den Kühlschrank, suchte vergeblich nach Zitronensaft und kehrte dann zum Sofa zurück.
"Und?"
Ich schob ihm ein Glas hinüber, er nickte bestimmt und streckte mir seine Rechte entgegen. Ich rückte etwas näher und nahm sie in beide Hände, insgeheim erleichtert über seine Entscheidung: Andreas wollte, dass ich Davide prüfte, bevor er initiiert wurde und die Zustimmung des Jungen ersparte mir, ihn mit dieser Bedingung unter Druck setzen zu müssen. Davides Hand war warm
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