Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
Vom Netzwerk:
und ein wenig feucht, als hätte er Angst: Als ich ihn bei Drake umarmt hatte, war nichts dergleichen zu spüren gewesen - interessant. Seine Augen fuhren nervös von unseren verschränkten Fingern zu meinem Gesicht und wieder zurück - ich wusste, dass er nichts spürte, dass sich in seinem Kopf nichts ungewöhnliches tat. In meinem war dafür umso mehr los: Davide war auch in seinem Gefühlsleben unglaublich direkt und ich erschrak fast ein bisschen, als sein Wesen in Form von Millionen kleiner Tröpfchen auf mich zustürmte. Er war ein Wasserfall, erkannte ich nach ein paar forschenden Sekunden, aber nicht wie Josie - die war eigentlich ein wilder Bach, die dann zu einem Wasserfall wurde. Davide dagegen war nur ein Wasserfall: Breit und schnell stürzte er einen Felsvorsprung hinunter, sein Wasser kam aus dem Nichts und verschwand im Nichts. Sein Wasser war hell und klar, es bildete einen glatten, leicht durchsichtigen Vorhang vor einer kleinen Höhle, in der ich stand: wie in einem Abenteuerfilm, wo der Eingang zur Schatzhöhle sich stets hinter dem dichten Schleier aus prasselndem Wasser befindet. Die Höhle war klein und aus einem mir dumpf bekannt vorkommenden grauen Stein, außer mir war nur noch ein dunkler, aber friedlich-freundlicher Schatten einer anderen menschlichen Gestalt darin zu sehen. Ich konnte in der engen Höhle dem aus dem Wasserfall stäubenden Wasser nicht ausweichen und spürte, wie es sich fein und leicht auf mich legte - eher kühl, nicht so warm und wohlig wie Jacksons Ozean, aber auch nicht so kalt wie Ciarans Gebirgsfluss.
    Ich erzählte Davide, was ich sah, er runzelte die Stirn.
    "Wieso verschwinde ich im Nichts? Heißt das, dass ... ich sterben werde?", fragte er, als ich geendet hatte, sich alarmiert aufrichtend.
    Ich schüttelte nachdrücklich den Kopf, entsetzt von seiner Schlussfolgerung. Interpretationen waren seine Stärke nicht, dachte ich in Erinnerung an unsere quälenden Literatur-Stunden, aber ich musste mit meiner Auslegung vorsichtig sein: Ich konnte nur subjektiv sprechen, vielleicht sogar nur subjektiv in ihm lesen - beides barg Gefahren.
    "Nein, das heißt es natürlich nicht. Das hier ist keine Wahrsagerei - ich kann nichts sehen, was mit deiner Zukunft zu tun hat. Ich sehe nur, wie du bist - wie du genau jetzt bist, was du genau jetzt fühlst. Und momentan bist du eben sehr ... schwebend: Du hast die Verbindung zu deiner Familie weitestgehend gekappt und weißt noch nicht genau, wo dein Weg dich hinführt. Ich bin mir sicher, dass du für mich in ein paar Monaten anders aussehen wirst, und in ein paar Jahren dann wieder anders."
    Davide schien tatsächlich ein wenig beruhigt zu sein.
    "Und warum bist nur du in der Höhle? Warum ist da kein anderer, außer diesem Schatten?"
    Ich zuckte mit den Schultern, ließ seine Hand los und trank einen Schluck von meiner Cola.
    "Das ist immer so - ich sehe dich und ich sehe mich. Wenn du willst, kannst du an ein paar andere Menschen denken und ich sage dir, wie du zu ihnen stehst. Oder du denkst daran, wie es war, als du noch ... nicht hier beim Orden warst. Was du willst. Aber denk daran: Ich sehe nur, was du in diesem einen Moment fühlst und wie du dich fühlst, nicht aber, was du denkst oder was mal sein wird."
    Er sah auf seine Hand, dann streckte er sie erneut aus.
    "Dann vor meiner Begegnung mit euch, bitte."
    Pure Neugier sprach aus seinen Augen, also verschränkte ich meine Finger bereitwillig in seinen und bat ihn, sich so genau wie möglich an sein Leben vor dem Sturz mit dem Motorrad zu erinnern - an seine Gefühle, seine Empfindungen. Zunächst blieb der Wasserfall, wie er war, dann veränderte er sich ein wenig, zuckte zurück, veränderte sich wieder leicht. Er kann sich nicht konzentrieren, dachte ich und drückte ihm sanft die Hand.
    "Entspann dich. Greif dir irgendwas heraus, an das du dich gut erinnerst. Als du mit deinen Eltern über ein Studium gesprochen hast oder dergleichen."
    Der Wasserfall wurde schmaler, es kamen kaum noch Gischtwolken zu mir herein. Dann verschwand die Höhle - ich schwebte über einer grünen Landschaft mit Hügeln und einem kleinen, sich sanft schlängelnden Bach. Der Bach kam aus dem Horizont der einen Seite und verschwand im Horizont der anderen Seite, ohne jemals breiter, schneller oder tiefer zu werden. Nur seine Windungen waren mal enger, mal weiter: Er folgte dem natürlichen Pfad, den die Täler zwischen den Hügeln ihm vorgaben, eine perfekte Harmonie.
    Ich erzählte Davide,

Weitere Kostenlose Bücher