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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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uns ab und zu als Botenjungen rumgeschickt. Ich weiß nicht genau, wie lange ich so gelebt habe, aber es waren sicher zwei, eher drei Jahre. Eines Tages schickte mich ein Wirt mit einem Krug Wein zu einem Pfarrhaus, der Priester dort gab mir zu essen - und ging mir dann an die Wäsche. Ich hab mich gewehrt, er hat mich geschlagen, ich bin abgehauen. Ich habe mich in der Kirche neben dem Pfarrhaus versteckt, hinter dem Altar. Über dem hing ein Gemälde - ich weiß nicht mehr, welchen Heiligen es zeigte, aber er war umgeben von einer Gruppe Menschen und einigen Kindern und Tieren. Ich wusste, dass der Priester vor diesem Gemälde predigen würde, weil ich schon mal mit meiner Mutter in einem Gottesdienst gewesen war. Ich hatte mein Messer in der Tasche, bin auf den Altar geklettert und hab das Bild zerschnitten - wie von Sinnen, bis plötzlich jemand meine Hand festhielt und mich fragte, was zum Teufel ich da täte. Das war Andreas."
    Ich warf meine Zigarette weg und bereute, sie genommen zu haben: Mein Hals fühlte sich erneut entsetzlich trocken an. Shara ging schweigend neben mir, Jack immer noch ein paar Schritte hinter uns. Eine Gruppe Schüler lärmte an uns vorbei, aus den Restaurants hörte man Gläsergeklimper, Stimmen und Lachen, es roch nach Essen und mir wurde übel - mehr vor Scham denn vom Geruch der Pizza.
    "Andreas hat mich mit nach Rom genommen, aufgepäppelt und mir Unterricht gegeben", fuhr ich fort, als ich meine Stimme wieder im Griff hatte. "Ich konnte nicht lesen und schreiben, ich wusste nichts - außer, wo man essbare Abfälle fand und welcher Nachtwächter den härtesten Knüppel schwang. Ich bin drei Mal abgehauen. Beim ersten Mal kam ich gar nicht aus der Stadt, beim zweiten Mal schaffte ich es bis nach Mailand. Beim dritten Mal haben sie mich in Salerno aufgesammelt, das liegt noch hinter Neapel - da bin ich wohl irgendwo falsch abgebogen. Danach habe ich Andreas dann auch erzählt, dass ich meine Geschwister suchen wolle. Er hat drei für mich gefunden: Meine Schwestern waren beide im Waisenhaus gestorben, wahrscheinlich an der Schwindsucht, mein ältester Bruder hatte sich zur Armee gemeldet und war in einem unwichtigen Scharmützel eines unwichtigen Krieges getötet worden. Von dem anderen habe ich nie mehr was gehört, keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Und eine Kirche habe ich erst hundert Jahre später wieder betreten - bei dem Ritus an dem Tag, als Jack die glorreiche Idee zu hatte, meinen Kreuzritterorden zu beklauen, und mir damit meine schöne Zeremonie versaut hat."
    Es war jetzt fast ganz dunkel, wir konnten die obersten Mauern des voll illuminierten Kolosseums schon über den Häusern aufragen sehen. Shara stolperte über einen hohen Bordstein und griff nach meinem Arm, um nicht zu fallen, ich bot ihn ihr an und sie hakte sich bei mir ein. Ihre Goldhaare rochen nach Honig, der süße Duft war ein bisschen tröstend - wie ein Lolli, den Kinder bekamen, wenn sie beim Arzt brav gewesen waren.
    "Und warum hast du so lange warten müssen, bis sie dir die zweite Narbe gegeben haben? Weil du noch so jung warst?", fragte sie nach ein paar Minuten, in denen sie scheinbar über meine Geschichte nachgedacht hatte.
    Ich nickte. "Ja, auch - aber ich war außerdem ... ziemlich aufsässig, meine kleinen Ausflüge waren nicht das Einzige, womit ich Andreas und Ciaran ... na ja, nicht gerade Freude gemacht habe. Ich wollte mir nichts sagen lassen, erkannte nicht wirklich, dass der Orden mir nur Gutes wollte. Es hat lange gedauert, bis ich mich ... normal verhalten habe."
    Ich hörte Jack hinter uns leise lachen, drehte mich aber nicht um - sollte er doch, das bekäme er nachher dann auch noch zurück. Shara schwieg erneut eine Weile.
    "Wenn du heute wählen könntest: Ein normales Leben zu deiner Zeit oder ... den Weg, den du gegangen bist - was würdest du nehmen?"
    Du meine Güte, die Mutter aller Fragen - bestimmt hatte die Prinzessin sich diese in den letzten Tagen selbst hunderte Male gestellt. Ich dachte einen Moment nach, wollte was vernünftiges Antworten.
    "Das kann ich nicht so einfach sagen, es hängt immer sehr davon ab, wie ich mich gerade fühle. Heute bin ich froh, dass ich noch lebe und dich kennen lernen durfte - aber es gab auch immer wieder Zeiten, wo ich lieber seit langem tot gewesen wäre. Ich bin im Orden nicht immer gut klargekommen, manchmal hab ich schon bereut, dass ich ... dass alles nicht anders gekommen ist."
    Sie küsste mich im Gehen leicht auf die Wange,

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