Die fabelhafte Miss Braitwhistle
wir in Sachkunde jetzt Elefanten durch«, meinte Clemens. »Und Elefanten sind noch schwieriger zu bekommen als Skelette, glaub ich.«
Wir überlegten noch eine Weile, was sie für uns wohl besorgen müsste, da ging endlich die Tür auf. Aber nicht Miss Braitwhistle, sondern Hugo erschien.
»Ich denke, du darfst erst wieder kommen, wenn Miss Braitwhistle weg ist«, hab ich gesagt.
Hugo hat seine Brille zurechtgerückt und ein ganz ernstes Gesicht gemacht: »Ich hab zu meiner Mutter gesagt, wenn sie mich jetzt nicht in die Schule lässt, gehe ich nie wieder!«
Donnerwetter! So kannten wir Hugo ja gar nicht.
Jetzt waren wir also vollzählig, und die Einzige, die immer noch fehlte, war Miss Braitwhistle.
Clemens und ich haben Schiffe versenken gespielt. Aki hatsich Clemens’ Schal ausgeliehen und versucht, Hugo damit zu fesseln, weil der gesagt hatte, Aki würde nach totem Meerschwein riechen. Annalisa las Henni die langweiligen Eintragungen in ihrem langweiligen rosa Poesiealbum vor. Pauline und Max pulten heimlich Mandeln vom Bienenstich, und die anderen taten, was sie immer tun, wenn wir auf einen Lehrer warten. Dummes Zeug. Aber komischerweise hat es nicht so viel Spaß gemacht wie sonst.
Aki hat mich angeschaut und ich hab Aki angeschaut. »Du, ich glaub, sie kommt nicht mehr«, sagte Aki.
»Du meinst nie mehr?«, hab ich gefragt.
Aki nickte und mir wurde auf einmal ganz kalt.
Wieder ging die Tür auf, und wieder kam nicht Miss Braitwhistle rein, sondern Herr Fischli. Als ich sein Gesicht sah, wusste ich, dass Aki recht hatte.
Seit Felix wieder gesund war, hatte Herr Fischli ab und zu gelächelt. Heute sah er wieder so traurig aus wie vorher.
Pauline und Max zischten zurück auf ihren Platz, aber sie hätten ruhig weiter Bienenstich essen können.
»Es tut mir leid«, begann Herr Fischli. »Es tut mir wirklich sehr leid, aber Miss Braitwhistle musste ganz überraschend zurück nach England. Eine dringende Familienangelegenheit.«
Familie? Wieso hatte Miss Braitwhistle Familie? Irgendwiegefiel mir diese Vorstellung überhaupt nicht. Wozu brauchte sie Familie, sie hatte ja schließlich uns.
»Wann kommt sie wieder?«, hat Hugo gefragt. Das war die erste intelligente Frage, die er jemals gestellt hat.
Herr Fischli zuckte mit den Schultern. »Das hat sie mir leider nicht gesagt. Und dabei wollte ich sie heute bitten, euch bis zum Ende des Schuljahres zu unterrichten.«
Annalisa schluchzte laut auf.
»Und was wird nun aus uns?«, fragte Pauline.
Ich hab unter dem Tisch meine Hände gefaltet und gebetet:»Bitte, lieber Gott, bitte mach, dass wir nicht wieder zu Frau Sauermann müssen!«
Aki hat es gesehen und auch die Hände gefaltet, obwohl er noch nicht mal getauft ist. Doch es schien zu nutzen.
»Ich werde euch unterrichten«, hat Herr Fischli gesagt. »Für Mathematik und Sport kommt ab morgen ein junger Kollege, dann hab ich Zeit für euch.«
Das war ein kleiner Trost. Ein klitzekleiner Trost. Herr Fischli war nicht Frau Sauermann, aber er war eben leider auch nicht Miss Braitwhistle.
Jetzt erst hatte er den Kuchen bemerkt und »Der sieht aber köst–« gesagt. Das sollte bestimmt »köstlich« heißen, aber er hat eben auch Susi gesehen, und da ist ihm das »köstlich« natürlich im Hals stecken geblieben.
»Was ist das denn bitte?«, hat er gefragt.
»Das ist Susi«, hat Aki gesagt. »Also das war Susi. Ich hab sie ausgegraben, weil ich dachte, Miss Braitwhistle freut sich über das Skelett.« Seine Stimme hat ganz komisch gezittert. Fing er etwa an zu weinen?
Herr Fischli hat einen Schritt vom Tisch zurück gemacht und gesagt. »Ich bin sicher, dass sich Miss Braitwhistle sehr darüber gefreut hätte. Aber da wir nicht wissen, wann sie wiederkommt, schlage ich vor, ihr begrabt Susi noch einmal, am besten da, wo die Kastanie war. Schön tief, damit Felix sie nicht wieder ausbuddelt.«
In der Pause sind wir mit Susi auf den Hof gegangen. Wir durften uns aus Herrn Pommerenkes Geräteschuppen einen Spaten nehmen. Das hätte der nie erlaubt.
Die Kastanie war schon wieder gewachsen. Inzwischen war sie schon fast so hoch wie ich. Abwechselnd haben Aki und ich gegraben, so tief, dass wir beinah am anderen Ende der Welt rausgekommen wären. Herr Fischli hat uns einen Pappkarton gegeben, da haben wir Susi reingelegt. Mit demTafellappen. Den hätte man eh nicht mehr benutzen können.
Dann haben wir alle dagestanden und keiner hat was gesagt, es war so traurig wie bei einer richtigen
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