Die fabelhafte Miss Braitwhistle
beharrte Annalisa.
Doch Herr Fischli hörte es nicht, er streichelte Felix und redete in einer seltsamen Sprache mit ihm. Es klang, als hätte er rostige Nägel im Hals.
Da ist mir etwas eingefallen: »Herr Fischli, wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?«
»Urs«, sagte Herr Fischli. »Ich heiße Urs.«
»Uhr?«, hat Henni gefragt. »Ist das ein Name?«
Das hätte sie lieber nicht sagen sollen, denn Herr Fischli hat auf die Uhr geschaut. »So spät ist es schon? Ihr müsst doch in die Schule! Und ich auch.«
Wir hatten keine große Lust auf die Schule, aber Felix istmit uns mitgekommen. Das hat Spaß gemacht. Wir haben uns darum gestritten, wer seine Leine halten durfte. Hugo hat so getan, als gehöre Felix ihm allein, das konnten Aki und ich natürlich nicht zulassen.
»Ich denke, du hast eine Allergie gegen Hunde«, hab ich gesagt.
»Gegen den aber nicht«, hat Hugo behauptet und die Leine nicht losgelassen.
Da hat erst Aki ihn ein bisschen geschubst, sodass er in eine Hecke fiel, und dann hab ich ihn geschubst, aber auch nicht richtig doll. Warum Hugo dann plötzlich in einem Abfalleimer steckte, weiß ich auch nicht.
Herr Fischli hat es auch nicht gewusst, denn der ging mit Miss Braitwhistle vor uns, und als Hugo brüllte: »Herr Fischli, Herr Fischli! Der Franz hat mich in den Mülleimer geworfen!«, da hat er sich kurz umgedreht und gesagt: »Petzen ist keine schöne Angewohnheit, Hugo.«
Das hat Hugo natürlich nicht gefallen, also ist er aus dem Abfallkorb geklettert und hat mir mit einem alten Pizzakarton auf den Kopf gehauen. Als ich ihm dafür eins auf die Nase geben wollte, war plötzlich Felix zwischen uns und hat die Ohren angelegt und laut geknurrt. Da haben wir uns nicht mehr getraut, uns weiter zu schlagen, und sind ganz brav zur Schule gegangen.
Vor der Schule stand ein Pritschenwagen.
Natürlich wollten wir wissen, was der geladen hatte. Es war aber nichts Besonderes. Nur Äste und Teile von einem Baumstamm.
Wir wollten schon an dem Wagen vorbei und zum Schultor gehen, da rief Clemens plötzlich: »Das ist doch unsere Kastanie!«
»Was?«, hat Herr Fischli gesagt. »Das kann nicht sein!«
Es konnte aber doch sein. Denn es war wirklich unsere Kastanie, die da zerstückelt auf der Ladefläche lag. Ich hab’s daran erkannt, dass auf einem Stück Hugo ist doof stand, das hatte Aki in der dritten Klasse in die Rinde geritzt. Natürlich hat Annalisa sofort angefangen zu heulen und diesmal hätte ich am liebsten mitgeheult.
Herr Fischli sprang die Stufen hoch, riss die Tür auf, rannte den Flur entlang und ist hinten raus auf den Hof. Wir sind natürlich hinter ihm her.
Auf dem Hof stand da, wo vor ein paar Stunden noch unsere Kastanie gestanden hatte, Herr Pommerenke. Er sah sehr zufrieden aus. Aber nicht lange. Denn Herr Fischli hat ganz schön gebrüllt. Wir wussten gar nicht, dass er so böse werden kann. »Wie konnten Sie den Baum fällen lassen? Ohne mich zu fragen? Das ist einfach ungeheuerlich! Diesmal sind Sie zu weit gegangen, Herr Pommerenke!«
»Der Baum war eine Gefahrenstelle«, hat Herr Pommerenke gebrummt. »Total morsch. Und außerdem hab ich die Genehmigung von der Schulbehörde.« Er wedelte mit einem Zettel. »Das ist sogar amtlich.«
Herrn Fischli hat der amtliche Zettel nicht sehr beeindruckt. »Wie sieht der Hof denn jetzt aus? Völlig nackt!«
Der Hof sah wirklich nicht schön aus. Ich meine, richtig schön ist er ja nie gewesen, aber ohne die Kastanie sah man erst, wie hässlich er wirklich war. Der schwarze Belag auf dem Boden hatte Löcher und Risse, nur das Unkraut sah hübsch grün aus.
Während Herr Fischli und Herr Pommerenke stritten, lief Felix aufgeregt um die beiden herum und bellte laut.
Herr Pommerenke hatte inzwischen einen puterroten Kopf und schrie: »Und überhaupt sind Hunde in der Schule verboten!«
»An meiner Schule nicht«, sagte Herr Fischli. »Sie werden lachen, aber ich werde Felix jetzt jeden Tag mitbringen.«
Aber Herr Pommerenke lachte nicht. »Das werde ich der Schulbehörde melden und dann werden Sie schon sehen!«, sagte er, warf die Harke auf den Boden und ging.
Miss Braitwhistle hat die ganze Zeit nichts gesagt. Es hätte ihr ja sowieso keiner zugehört. Aber dann ging sie zu derStelle, wo mal unsere Kastanie stand, und hat mit der Fußspitze ein wenig in der Erde gescharrt.
»Man muss pflanzen eine neue Kastanie«, hat sie gesagt.
»Aber das dauert ja hundert Jahre, bis die so groß ist wie die alte«, hab ich
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