Die facebook-Falle
passiert. Facebook schickt mir eine E-Mail, die ich bestätigen muss, und das war’s auch schon. Ein Vorgang von beeindruckender Schlichtheit im Vergleich beispielsweise zur Schaltung eines normalen Telefonanschlusses durch die Telekom. Bei Facebook hat die Anmeldung kaum fünf Minuten gedauert, und in fünf Minuten Mitglied einer Gemeinschaft zu werden, der schon 500 Millionen Menschen rund um den Globus angehören, ist ein gutes Gefühl.
Prompt beginne ich nach irgendwelchen Bekannten aus
meiner Vergangenheit zu suchen, die mir gerade in den Sinn kommen und die möglichst weit entfernt leben. Leider ist die Suchmaske für eine angebliche »Freunde«-Suchmaschine nicht sonderlich ausgefeilt, sodass ich zu jedem eingegebenen Namen zig Treffer erhalte, nur leider ist der von mir Gesuchte nie dabei. Möglicherweise sind es allesamt Facebook-Muffel oder Menschen wie ich, die Angst vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre haben.
Nun beginnt die eigentliche Arbeit. Ich muss an meinem Profil feilen. Ein kleiner blauer Balken zeigt meinen Fortschritt an, und je mehr von mir preiszugeben ich bereit bin, desto weiter nach rechts wandert der Balken. Noch ist kaum etwas von ihm zu sehen. Noch existiere ich nicht richtig, besser gesagt, mein Avatar ist noch ziemlich blutleer. Avatar, ein Sanskritwort, meint ursprünglich eine Gottheit, die sich in irdische Niederungen hinabbegibt. In der Welt der Online-Spiele dienen Avatare dazu, stellvertretend für uns zu agieren. Wir können ihnen Charaktereigenschaften zuschreiben und sie natürlich nach Herzenslust manipulieren. Fühle ich mich zu klein und etwas ängstlich, ist die Versuchung groß, meinen Avatar mutig und ein wenig stattlicher aussehen zu lassen. Es ist ja nur ein Spiel. Facebook aber ist kein Spiel, sondern eine Plattform, um meine Freunde wiederzufinden und Kontakte zu knüpfen. Kontakte zu Menschen, die ich aus der realen Welt kenne und vielleicht auch in der realen Welt treffen möchte. Jedenfalls legt Facebook-Gründer Zuckerberg Wert auf die Feststellung, dass wir nur eine Identität haben. Eine gewagte These, die uns auf den folgenden Seiten noch beschäftigten wird.
Um nun mein Profil zu erstellen, gebe ich meinen Namen,
mein Geschlecht und mein Geburtsdatum ein. Alle diese Angaben, auch das Alter, sind zwingend, und Facebook erklärt, warum: »Facebook fordert von allen Nutzern, dass sie ihr richtiges Geburtsdatum angeben. Dadurch soll die Authentizität der Seite und der Zugang zu altersgerechten Inhalten gewährleistet werden. Wenn du möchtest, kannst du diese Information in deinem Profil verbergen.« Natürlich hätte dort auch stehen können, dass man mein Alter benötige, weil es ein wichtiges Kriterium für die gezielte Platzierung von Werbung ist. Aber das steht dort nicht. Ebenso wenig, warum man all die anderen Dinge von mir wissen will, die ich aber nicht angeben muss. Da fällt mir ein, ich habe noch kein Profilbild. Ich klicke mich durch meine Bilderordner der vergangenen Monate und entscheide mich schließlich. Jetzt habe ich auf Facebook auch ein Gesicht.
Ich bin jetzt ordentliches Facebook-Mitglied, aber der kleine blaue Balken zeigt noch immer keinen sichtbaren Fortschritt an. Ich könnte jetzt also angeben: Interessiert an: Frauen oder Männern – auch beides geht, da ist Facebook nicht spießig. Und ich könnte unter der Rubrik »Auf der Suche nach« Angaben darüber machen, was mich überhaupt in die Community treibt. Ich kann mehrere mögliche Antworten anklicken: Freundschaften, Verabredungen, feste Beziehung, Kontakte knüpfen. Das klingt eher nach Einsamkeit als nach dem Wunsch, verschollene Freunde wiederzufinden. Aber ich muss zunächst weiter an meinem Avatar arbeiten. Jetzt fragt mich Facebook nach meiner politischen Einstellung. Ich tippe spaßeshalber »SPD« ein, im Sprachfeld erscheint nun die Somali People’s Democratic Party (SPDP), darunter das Land: Äthiopien. Merkwürdig.
Immerhin bietet Facebook mir als Alternative auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands an. Ich lasse das Feld frei. Nun fragt Facebook mich nach meinen »religiösen Ansichten«. Zur Auswahl stehen alle möglichen Glaubensrichtungen und Prägungen, von »christlich – Amish« bis »katholisch«, von »jüdisch-orthodox« bis »Moslem-sunnitisch« und sogar »Rastafari«. Ich versuche es mit »tolerant«. Das System schluckt es, aber ich streiche es wieder. Kaum öffne ich danach meine Pinnwand, sehe ich, dass alle Freunde mir bei meinen
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