Die facebook-Falle
Spielereien zusehen konnten. Dort steht jetzt: »Sascha hat seine religiösen Ansichten geändert. « Und dass ich die eine oder andere Band mag, diesen oder jenen Schriftsteller hinzugefügt habe, wird ebenfalls auf dieser Pinnwand mitgeteilt. Auch vier meiner Freunde aus dem realen Leben haben sich innerhalb kurzer Zeit dort eingefunden; sie haben meine Freundschaftsanfrage positiv beantwortet. Außerdem erscheint schon am nächsten Tag eine Anzeige auf meiner Pinnwand: Gogol Bordello tritt auf. Die Band hatte ich in meinem Profil als einen meiner Favoriten genannt. Der Veranstaltungshinweis ist allerdings wertlos, denn das Konzert ist in San Diego/Kalifornien.
Unterdessen registriert der blaue Balken neben meinem Account trotzdem nur einen mäßigen Fortschritt. Er ist erst zur Hälfte gefüllt. Ich muss also noch mehr von mir preisgeben. Und von den durchschnittlich 130 Facebook-Freunden bin ich auch noch meilenweit entfernt, da ich die meisten der mir angebotenen Personen gar nicht kenne und diese Freundschaftsanfragen deshalb ignoriere.
Dabei macht Facebook mir gleich zu Beginn meiner Anmeldung einen einfachen Schritt schmackhaft: »Durchsuchen
deines E-Mail-Kontos ist der schnellste Weg, um deine Freunde auf Facebook zu finden.« Es folgt die Aufforderung: »E-Mail-Passwort eingeben«. Und Facebook verspricht: »Wir werden dein Passwort nach dem Import der Informationen deiner Freunde nicht speichern.« Ich muss plötzlich an diesen Professor denken, der mich unwissentlich einlud, und an den Ärger von Carola Drechsler. Und staunend wird mir klar, dass es keine Rolle spielt, ob ich bei WEB.DE, GMX, Telekom, Hotmail, Google Mail oder Yahoo Mail Kunde bin, denn sobald ich mein E-Mail-Passwort eingegeben habe, kann sich Facebook in mein Adressbuch einloggen, die E-Mail-Adressen herausladen und anschließend an diese Adressen Einladungen zu Facebook versenden. Aber sollte ich das tun? Es ist, als würde man in den Urlaub fahren und den Briefkastenschlüssel nicht beim Nachbarn, sondern bei irgendeinem unbekannten Unternehmen abgeben, das die Post nicht nur bis zu unserer Rückkehr lagert, sondern auch gleich nachsieht, wer uns denn so schreibt. Und natürlich verspricht dieses Unternehmen, keinesfalls einen Nachschlüssel für unseren Briefkasten anzufertigen. Ich tue es nicht, was Facebook seitdem mit dem immer wiederkehrenden Hinweis auf diese simple Freunde-Suchfunktion quittiert.
Schön und einfach, aber tückisch ist die iPhone-Welt
Die Facebook-Welt scheint voller kleiner Dramen zu stecken. Wohl selten hatte ein Kollege von mir einen so wütenden Professor an seinem Handy wie im Frühjahr 2010. Der Mann konnte gar nicht fassen, dass ausgerechnet Facebook an seine E-Mail-Adresse gelangt war. Kleinlaut erwiderte der Journalist, er könne es sich auch nicht erklären, bis ihm dämmerte, dass er vermutlich irgendwo auf dem Weg vom Büro zum Fitness-Center die iPhone-App von Facebook geladen und bei der Frage nach der Freundessuche »Ja« angeklickt hatte. Offenbar hatte er den dezenten Hinweis überlesen: »Wenn du diese Funktion aktivierst, werden alle Kontakte von deinem Handy (Name, E-Mail-Adresse, Telefonnummer) an Facebook gesendet und unterliegen dann den Datenschutzrichtlinien von Facebook. Zudem werden die Profilbilder deiner Freunde sowie andere Informationen von Facebook zu deinem iPhone-Adressbuch hinzugefügt. Bitte stelle sicher, dass deine Freunde mit deiner Nutzung ihrer Daten einverstanden sind.«
Was für die Nutzer als harmloses Software-Update daherkommt, hat es in sich, denn Facebook zieht auf diesem Wege sämtliche auf dem iPhone gespeicherten Kontaktdaten an sich: Namen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Postanschriften, dazugehörige Fotos und Geburtstagsdaten. Selbst ganz individuelle Einträge in den Notizecken unserer Kontakte. Persönliche Daten von Menschen, die gar keine Facebook-Mitglieder sind, von Menschen, die das vielleicht auch nie sein wollen, aber mit ihren sensiblen Daten auf unserem iPhone gelandet sind. All diesen Menschen
schickt Facebook dann eine Einladung im Namen von Facebook-Mitgliedern, die selber nichts davon ahnen. Wer sich als Nicht-Facebook-Mitglied darüber ärgert und sich bei dem vermeintlichen Absender weitere Einladungen verbittet, dem nutzt das gar nichts. Denn er erhält sogleich eine zweite Einladung. Das besorgt die Facebook-Computermaschinerie automatisch. Erfolgt abermals keine Reaktion, gibt Facebook allerdings auf. Bis zur nächsten Gelegenheit,
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