Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
wenig nützen, wenn man von der Mauerkrone auf sie feuerte. Und auch nicht viel, wenn plötzlich die gesamte Garnison aus der Pforte geströmt kam, um …
»Haltet das!« Er drückte dem verblüfften Tom die Waffen in die Hände und tastete mit den Händen am Saum des Wassers entlang, um ein passendes Stück Treibgut zu suchen. Er stieß sich im Dunklen die Finger und die Zehen, doch er fand, was er suchte: ein Stück Holz, eine zerborstene Planke. Er zog es aus dem Schlamm und rannte zur Pforte am Fluss zurück, wo er seine Beute unter die Türkante stieß. Das Holzstück glitt problemlos darunter hindurch; es reichte nicht, er brauchte …
Tom, die gute Seele, hatte begriffen, was er brauchte, und war direkt hinter ihm, die Arme voller Krimskrams, Stöckchen und Steine. Grey kramte fieberhaft in dem triefenden Restehaufen herum und rammte so viel wie möglich davon unter das freie Ende der Planke. Dann hämmerte er das Ganze mit dem Fuß fest. Seine Zehen würden genauso blau werden wie Frasers Hintern, dachte er, während er seinem erbärmlichen Türkeil einen letzten, heftigen Tritt versetzte.
Es war der letzte, weil ihm danach keine Zeit mehr blieb. Im Inneren der Burg erklangen Rufe. Grey packte Tom am Arm und rannte am Ufer entlang in die Richtung, in die Fraser gegangen war.
Der Boden war schlammig und uneben, und sie schwankten und stolperten keuchend vor sich hin. Grey rutschte mit dem Fuß im Morast aus, dann schoss sein Bein plötzlich abwärts, und er fiel klatschend auf die Seite; er war ins Röhricht getreten. Keuchend kam er auf dem Rücken an die Oberfläche und wedelte mit Armen und Beinen, während er vergeblich versuchte, aufzustehen und wieder zu Atem zu kommen.
»Mylord!« Tom folgte ihm platschend, aber vorsichtiger. Er watete bis zu den Knien im Wasser, und das Schilf ächzte und raschelte, während er sich hindurchschob.
Plötzlich klapperte es, als hätte jemand Kieselsteine gegen eine Scheibe geworfen. Schüsse, dachte Grey und warf sich in seinen schweren, nassen Kleidern ungeschickt herum. Endlich fand er Halt und kroch auf allen vieren ans Ufer.
Jetzt fielen einzelne Schüsse, ein unregelmäßiges Pop-Pop! Pop! Konnten sie Tom und ihn sehen, oder feuerten sie einfach ins Leere, um es ihnen zu zeigen? Er musste plötzlich an die Pfeilscharten denken und zog instinktiv den Kopf ein. Tom packte ihn am Arm und hievte ihn ans Ufer wie eine harpunierte Schildkröte.
»Lasst uns …«, sagte Tom und hielt plötzlich mit einem erstickten, überraschten Grunzlaut inne.
»Was – Tom!« Toms Knie gaben nach. Grey fing ihn auf halbem Wege auf und ließ ihn zu Boden sinken. »Wo?«, sagte er. »Wo seid Ihr getroffen worden?« Er hatte dieses Geräusch schon öfter gehört: schieres Erstaunen – und allzu oft die letzte Bemerkung, die der Getroffene über das Leben abzugeben hatte.
»Arm«, sagte Tom völlig außer Atem, aber immer noch eher erstaunt als alarmiert. »Etwas hat mich am Arm getroffen. Wie ein Hammer.«
Es war so dunkel wie in einer Kohlengrube, doch Grey konnte einen schwarzen Fleck auf dem linken Arm von Toms Rock sehen. Der sich schnell ausbreitete. Er fluchte leise, tastete in seinem nassen Haar herum und brachte ein übel zugerichtetes Haarband zum Vorschein.
»Über dem Ellbogen? Darunter?«, fragte er schnell und betastete den Arm.
»Au! Genau da – au!« Etwas oberhalb des Ellbogens. Er schlang Tom das Band um den Arm, bedauerte den Verlust seines Taschentuchs und zog es fest. Es zerriss.
Ein Moment der Panik, in dem die Nacht ringsum verschwamm und das Geräusch der Schüsse, die das Wasser trafen, so harmlos klang wie die ersten Regentropfen aus einer vorbeiziehenden Wolke. Dann wurde sein Blickfeld wieder scharf, und er stellte – zu seiner vagen Überraschung – fest, dass ein Teil seines Verstandes weitergearbeitet hatte; er saß auf dem Boden, hatte einen Stiefel ausgezogen und zog sich den triefenden Strumpf vom Fuß.
Den anderen ballte er zusammen und bekam so einen wunderbaren Notverband.
»Ich werde mich bei Jennings und Brown beschweren«, sagte Tom mit leisem Beben in der Stimme. »Dort habe ich das Band gekauft.«
»Macht das, Tom«, sagte Grey und musste lächeln, während er die Füße in die nassen Stiefel zurückschob. Sein Verstand ging derweil die Möglichkeiten durch. Wenn Tom ernsthaft verletzt war, brauchte er sofort medizinische Versorgung. Und der einzige Ort, wo diese zu bekommen war, war die Burg. Wenn es jedoch nicht mehr war als
Weitere Kostenlose Bücher