Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
über das Gesicht des Engländers huschten: der Drang, auf ihn loszugehen, der Drang, den formelleren Weg zu wählen und ihn herauszufordern, eine undefinierbare Welle der Kalkulation und schließlich – alles innerhalb eines Augenblicks – plötzliche Beherrschung, als er seine Wut zwang, sich abzukühlen.
»Hinsetzen«, sagte Grey mit zusammengebissenen Zähnen und wies mit einem Ruck seines Kopfes auf den Eimer.
»Ich lasse mich nicht herumkommandieren wie ein Hund!«
Grey rieb sich das Gesicht. »Ich entschuldige mich für meinen Ton. Kommt mit mir.« Er wandte sich ab und sah sich um. »Wenn Ihr so freundlich wärt, Mr Fraser.«
Nach kurzem Zögern folgte Jamie dem Mann. Es nutzte schließlich nichts, wenn er bei den Gartenabfällen verharrte.
Grey schob die Tür des Treibhauses auf und winkte ihn hinein. Es dämmerte schon fast, doch im Inneren leuchtete es wie in der Schatzkammer eines Königs; es schimmerte rot und rosa, weiß und gelb im Dämmerlicht des Smaragddschungels, und die Luft strömte sanft auf ihn ein, eine feuchte Liebkosung, erfüllt von den Düften der Blumen und Blätter, der Kräuter und Gemüsepflanzen. Einen Moment lang roch er das Haar seiner Frau unter diesen Düften, und er schnappte nach Luft, als hätte man ihn in die Lunge geschossen.
Von Erregung durchpulst folgte er Grey vorbei an einer Gruppe von Palmen und riesigen Pflanzen, deren Blätter zerfasert waren wie Elefantenohren. Hinter der nächsten Ecke stand eine Gruppe von Korbmöbeln in einer großen Laube voller Weinranken. Hier blieb Grey stehen und wandte sich ihm zu.
»Ich habe einen verdammt langen Tag hinter mir, und ich würde mich gern hinsetzen«, sagte er. »Macht, was Ihr wollt.« Er ließ sich in einen Korbsessel fallen und lehnte sich zurück, streckte die Beine aus, die noch in seinen Stiefeln steckten, und schloss mit einem kleinen Seufzer die Augen.
Jamie zögerte, denn er wusste nicht, ob er auf dem Absatz kehrtmachen und gehen sollte, sich ebenfalls hinsetzen sollte, oder ob er John Grey am Kragen aus seinem Sessel zerren und ihm einen ordentlichen Boxhieb verpassen sollte.
»Wir haben hier vielleicht eine halbe Stunde für uns allein«, sagte Grey, ohne die Augen zu öffnen. »Die Köchin hat sich ihr Gemüse schon geholt, und Minerva hört Benjamins Latein ab. Sie wird die Blumen für den Tisch erst holen, wenn er fertig ist, und er muss Caesars De Bello Gallico lernen und kommt nie weiter als Fere libenter homines id quod volunt credunt , dann vergisst er, wo er war, und muss von vorn anfangen.«
Jamie erkannte die Passage sofort: Die Menschen glauben stets, was sie glauben möchten . Er presste die Lippen aufeinander und ließ sich auf dem anderen Korbsessel nieder, der unter seinem Gewicht ächzte. Grey öffnete die Augen.
»Also. Was genau meint Ihr«, sagte er und setzte sich auf, »mit den Kohlen und meiner sogenannten Ehre?«
Der kurze Spaziergang durch das Treibhaus und Greys unerwartete Gelassenheit hatten einiges von Jamies Wut verpuffen lassen, doch an den Schlussfolgerungen, zu denen er gelangt war, hatte sich nichts geändert.
Er dachte kurz darüber nach, doch was hatte er schließlich davon, wenn er diese Schlussfolgerungen für sich behielt? Der kluge Mann baute schließlich vor, und vielleicht war es gar nicht schlecht, wenn die Greys wussten, dass er genau das getan hatte.
Er erzählte Grey in kurzen Worten, was er sich gedacht und zu welchem Schluss er gekommen war. Nur den Besuch der Herzogin in seinem Schlafzimmer erwähnte er nicht – und William.
Grey hörte ihm zu und saß vollkommen reglos da. Er zuckte mit keiner Wimper, bis Jamie fertig war. Dann rieb er sich das Gesicht und sagte leise: »Verdammt, Hal!«
Der Wein war vor dem Winter gestutzt worden, doch die neuen Triebe waren schon gesprossen, und rötliche Blätter überzogen die grobknochigen Ranken, die sich durch das Laubenspalier wanden. Ein schwacher Luftzug durchwehte die duftende Luft des Treibhauses und bewegte die Blätter.
»Also gut«, sagte Grey und ließ die Hand sinken. »Erst einmal holt Ihr für niemanden die Kohlen aus dem Feuer. Ihr dient uns höchstens als Strohmann. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, ich hatte nichts damit zu tun, dass Ihr hier seid, geschweige denn mit der Idee, dass Ihr mich nach Irland begleitet.« Er hielt inne. »Glaubt Ihr mir das?«, fragte er und sah Jamie gebannt an.
»Ja«, sagte Jamie nach kurzem Schweigen.
»Gut. Allerdings ist es wahrscheinlich meine Schuld, dass
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