Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
geglaubt, dass all diese Gegenstände in einen Koffer und ein paar Reisetaschen passten, wenn er nicht schon wiederholt gesehen hätte, wie Tom genau dieses Kunststück vollbrachte.
»Habt Ihr schon für Hauptmann Fraser gepackt?«, fragte er, während er sich die Strümpfe anzog.
»O ja, Mylord«, versicherte ihm Tom. »Alles bis auf das, was er am Leib trägt – und natürlich sein Nachthemd«, fügte er hinzu. »Ich habe versucht, ihn zu überreden, sich beim Abendessen zu pudern«, sagte er tadelnd. »Er sagt, er muss davon niesen.«
Grey lachte und ging. Auf dem Weg nach unten begegnete er Hal. Sein Bruder hielt ihm ein kleines Buch entgegen.
»Schau nur, was ich habe!«
»Lass sehen … nein! Woher hast du das?«
»Das« war ein Exemplar von Harry Quarrys Gedichtband mit dem Titel Einige Verse zum Thema des Eros . Das Original, welches Grey Denis Diderot überreicht hatte, war in Kalbsleder gebunden gewesen, wohingegen dieses Exemplar eine sehr viel billigere Version war, die einen einfachen Leineneinband hatte und – der Titelseite zufolge – für einen halben Shilling verkauft wurde.
»Mr Beasley hatte es. Er sagt, er hat es in der Druckerei Stubbs an der Fleet Street gekauft. Ich habe den Titel sofort erkannt und ihn gebeten, es mir zu besorgen. Hast du es schon gelesen?«
»Nein, ich hatte noch keine Gelegenheit dazu – habe nur ein paar ausgewählte Stellen gehört, die Diderot beim Pinkeln vorgelesen hat … Oh, Himmel!« Er hatte das Buch einfach in der Mitte aufgeschlagen und las jetzt vor: »Weil es schrecklich ihn juckte, oh/Schritt er zur Selbst-Fellatio …«
Hal heulte erstickt auf und lachte so heftig, dass er sich an die Wand lehnen musste, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. » Selbst -Fellatio? Geht denn das überhaupt?«
»Das fragst du mich ? Ich kann es bestimmt nicht«, sagte Grey.
»Ich habe zwar keine persönliche Erfahrung in dieser Hinsicht«, sagte eine trockene schottische Stimme hinter ihm, »aber Hunde scheinen es nicht schwierig zu finden.«
Beide Greys fuhren verblüfft herum; sie hatten ihn nicht kommen hören. Er sah gut aus, dachte John mit einem Anflug von Stolz. Bei Frasers Ankunft hatte Minnie hastig jemanden zu den Pettigrews geschickt, die sich zwei gigantische Mohren als Sänftenträger hielten, und sich eine relativ neue Livree ausgeborgt. Das Hemd war gewaschen, gestärkt und gebügelt worden, der einfache Rock und die Weste ordentlich gebürstet, und weder die Farbe – ein dunkles Marineblau – noch der Stil der Livree mochten zwar das sein, was der modebewusste Herr von heute trug, doch sie passte erstaunlich gut zu Frasers lebhafter Haar- und Augenfarbe.
»Möglich ist es aber«, sagte Fraser, der sich jetzt zu ihnen gesellte. »Für einen Mann, meine ich.«
Hal hatte zwar bei Frasers Eintreffen Haltung angenommen, doch er ließ sich nicht die Laune verderben und lächelte breit bei Frasers Worten.
»Wirklich? Darf ich fragen, wie Ihr an dieses Wissen gelangt seid, Hauptmann?«
Frasers Mund zuckte sacht, und er warf Grey einen Blick zu. Doch er antwortete Hal bereitwillig.
»Eines denkwürdigen Abends in Paris war ich vor einigen Jahren Gast des Duc di Castellotti, eines Herrn mit … sehr individuellen Vorlieben. Er hat einige seiner Gäste durch eine Reihe der interessanteren Etablissements der Stadt geführt, und in einem davon trat ein Akrobatenpaar auf. Extrem …«, er hielt inne, »beweglich.«
Hal lachte und wandte sich an seinen Bruder.
»Meinst du, Harry schreibt aus persönlicher Erfahrung, John?«
»Es ist mein Eindruck, dass Oberst Quarry auf einen beträchtlichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann«, sagte Fraser, bevor John antworten konnte. »Obwohl ich ihn nicht für einen Versschmied gehalten hätte. Wollt Ihr sagen, dass er der Verfasser dieser bemerkenswerten Verse ist?«
»Erstaunlicherweise ja«, sagte Hal. »Und noch diverser anderer von ähnlicher Natur, wenn ich den Berichten glauben soll. Man würde es nicht glauben, wenn man ihn so sieht, nicht wahr?«
Hal hatte sich wie selbstverständlich umgewandt und Fraser mit einer Bewegung seiner Schulter eingeladen, neben ihm herzugehen. Nun schritten sie den Korridor entlang und plauderten, so dass Grey nichts anderes übrig blieb, als die Nachhut zu bilden, das Buch in der Hand.
Minnie war mit einer Freundin ins Theater gegangen; die Männer speisten allein, und die Stimmung war überraschend freundschaftlich. Fraser war nicht die geringste Spur von Argwohn
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