Die Fäden des Schicksals
Laden, der innen noch größer wirkte als von außen. Ich konnte den Steinboden erkennen und eine verschrammte Ladentheke mit einer altmodischen schwarzen Kasse darauf, die bestimmt seit Jahrzehnten nicht mehr geklingelt hatte.
Das Ganze war schrecklich heruntergekommen. Wasserflecke an den Wänden zeugten von geborstenen Wasserrohren, einem undichten Dach oder beidem. Mehrere Fensterscheiben waren zu Bruch gegangen, und eine fehlte ganz. Als ich mich vorbeugte, schlug mir ein feuchter, muffiger Geruch entgegen, und an einigen Stellen waren die Fensterrahmen morsch von Termitenfraß. Doch trotz allem sah ich, dass es früher einmal ein ganz entzückendes Geschäft gewesen sein musste. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie die kleinen Scheiben blitzten und funkelten, als sie noch neu waren, und wie einladend die frisch gestrichene rote Tür gewirkt haben musste. Im Geiste roch ich statt des Moders den Duft von Geranien, die in Töpfen unter dem Fenster wuchsen, und hörte das fröhliche Klingeling der Türglocke, die dem Ladeninhaber einen weiteren Besucher ankündigte. In meiner Fantasie konnte ich es alles genau sehen, doch als ich die Augen öffnete, stand ich wieder vor dem verfallenen Haus mit seinen vergessenen Erinnerungen.
Es muss einmal sehr hübsch gewesen sein, aber das ist schon lange her. Um es wieder so herzurichten, ist bestimmt einen Haufen Geld und jede Menge Arbeit nötig.
Aber das war mir egal.
Ich trat einen Schritt vom Fenster zurück und kramte in meiner Handtasche nach Zettel und Stift, um mir den Namen und die Telefonnummer des Maklers zu notieren. Das hier war es. Danach hatte ich gesucht, ohne es überhaupt zu wissen. Meine Stadt, mein Laden, mein Zuhause. Mein fast vergessener Traum hatte am Ende einer kleinen Sackgasse auf mich gewartet.
Erneut schloss ich die Augen, und wieder sah ich die glänzenden Fensterscheiben, die schimmernde Holztür und darüber ein handgemaltes Schild:
COBBLED COURT QUILTS
Ich hatte Glück. Obwohl ich außerhalb der Bürozeiten im Maklerbüro anrief, ging jemand ans Telefon. Wendy Perkins war gerade im Begriff zu gehen, doch da ihr Büro nicht weit entfernt war, wollte sie auf mich warten.
»Aber sind Sie auch sicher, dass wir beide von ein und demselben Haus sprechen?«, fragte sie zweifelnd. »Dieses große Ladenlokal am Cobbled Court? Das mit den zerbrochenen Scheiben?«
»Ja«, bestätigte ich ihr. »Ich stehe gerade davor. Rote Tür und Erkerfenster. Wie hoch ist die Miete?«
»Das weiß ich, ehrlich gesagt, gar nicht mehr. Es ist schon so lange her, dass sich jemand danach erkundigt hat. Ich müsste in den Unterlagen nachsehen, aber bis Sie hier sind, habe ich es herausgefunden.«
Als ich das Büro betrat, wurde ich überschwänglich von einer älteren Frau mit weißen hochtoupierten Haaren begrüßt. Sie trug eine mit Glitzersteinen besetzte Sonnenbrille und eine dazu passende Halskette, und ihre Hose war ihr eine Nummer zu klein. Immer wenn sie lachte – und das tat sie häufig –, zog sie die Nase kraus, schob unwillkürlich die zu einem U gerollte Zunge zwischen den Lippen hervor und stieß ein prustendes Geräusch aus. Sie erinnerte mich an die boshaft-witzige Telefonistin Ernestine, in einer wöchentlichen Fernsehserie, über die ich mich als junges Mädchen immer vor Lachen gekringelt hatte. Lily Tomlin hatte sie gespielt. Ich mochte Wendy Perkins vom ersten Augenblick an.
»Es muss hier irgendwo sein, Evelyn«, sagte sie mit gerunzelter Stirn und schob sich die Brille höher auf die Nase, während sie in ihrem Aktenschrank wühlte. »Ich werde es gleich haben. Die Unterlagen zu diesem Haus sind wahrscheinlich älter als ich.« Prust, prust!
Ihr Lachen war so unwiderstehlich, dass ich einfach einstimmen musste.
»Was hat das Haus für eine Geschichte?«
»Na ja, ursprünglich, um die Jahrhundertwende, war es eine Apotheke. Fielding Drug Emporium. Bis in die Sechzigerjahre hielt sich der Familienbetrieb, aber dann starb Jim Fielding plötzlich an einem Herzinfarkt, und das Geschäft musste schließen. Danach versuchten noch ein paar Boutiquen ihr Glück, aber dafür ist der Laden einfach nicht ideal. Zu groß und zu abgelegen, verstehen Sie? Man weiß gar nicht, dass es ihn überhaupt gibt, sofern man nicht zufällig durch das Gässchen geht. Am besten würde sich da ein Laden für die Katzen und Ratten im Hof halten.« Prust, prust! »Aber eine Futtermittelhandlung wollen Sie wohl eher nicht aufmachen, oder?« Prust!
Ich
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