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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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aber ich bin nicht mehr jung, Evelyn. Und du auch nicht. Wir wissen, was Liebe ist, nicht wahr?«
    Da ich meiner Stimme nicht trauen konnte, nickte ich nur.
    Er legte mir seine andere Hand ins Kreuz und zog mich näher an sich heran. »Wie konntest du nur glauben, Evelyn, ich wäre so dumm und oberflächlich, dass deine Krankheit meiner Liebe etwas anhaben könnte? Du bist schön, ob nun mit oder ohne oder mit wiederaufgebauten Brüsten. Für mich macht das keinen Unterschied. Ich liebe dich. Ich liebe deine Kreativität und Fantasie, deine Fähigkeit, aus kleinen Stoffschnipseln etwas Wunderschönes zu machen. Ich liebe deine Freundlichkeit und Großzügigkeit, mit der du dir selbst in der schlimmsten Krise deines Lebens noch Gedanken um deine Freunde gemacht hast. Ich liebe deinen Humor und deine Tapferkeit und die Art und Weise, mit der du dich dem größten Schicksalsschlag gestellt hast, ohne dein Lächeln zu verlieren. Ich liebe alles an dir. Deinen Geist, deine Seele, dein Gesicht und deinen Körper. Für mich bist du schön und wirst es immer sein, Evelyn.«
    Seine Lippen auf meinem Mund waren weich und fest zugleich, als hätte er sich schon vor langer Zeit überlegt, wie er mich küssen wollte. Ich legte den Kopf zurück und öffnete ein klein wenig die Lippen, so als wüsste ich schon seit Langem, wie ich geküsst werden wollte.
    Schließlich richtete er sich auf und zog mit dem Finger eine Linie von meinem Wangenknochen bis zu meinem Mundwinkel. »Süßes Mädchen«, flüsterte er. »Süß. Noch einen.« Erneut senkte er den Kopf.
    »Warte, Charlie.«
    Seine Augen, gerade noch so warm und funkelnd, waren plötzlich dunkel und ernst.
    »Warum? Was ist?« Er blickte mir prüfend ins Gesicht. »Liebst du mich?«
    Auf der Welt gibt es keine zweite Frage, die den Fragenden so verwundbar macht. Sie zu stellen erfordert eine ganz bestimmte Art von Mut; einen Mut, den ich einst besessen, jedoch schon vor Jahren – noch vor der Scheidung – verloren hatte. Charlies Tapferkeit verblüffte, rührte und beschämte mich. Jeder, der für die Liebe so viel aufs Spiel setzte, verdiente es, wiedergeliebt zu werden.
    »Sag mir die Wahrheit, Evelyn, liebst du mich?«
    »Ja, Charlie, ich glaube schon. Aber du hast recht, wir sind beide nicht mehr jung. Wir können es uns nicht mehr leisten, ein gebrochenes Herz zu riskieren, es sei denn für die wahre Liebe.« Der wachsame, kampflustige Ausdruck trat wieder auf sein Gesicht. Er trat ein wenig zurück und nahm diese für ihn typische Verteidigungshaltung ein, die mich immer an einen Preisboxer erinnerte, der sich auf den nächsten Schlag gefasst macht.
    »Sieh mich nicht so an«, sagte ich. »Ich gebe dir keinen Korb und will dich auch nicht enttäuschen. Eins habe ich im letzten Jahr gelernt, und zwar, dass das Leben kürzer und kostbarer ist, als ich dachte – so kurz, dass wir nicht um den heißen Brei herumreden sollten. Ich habe mir vorgenommen, von nun an genau das zu sagen, was ich meine. Und ich meine, dass ich dich wahrscheinlich liebe, und zwar schon seit geraumer Zeit. Aber ich war so mit mir selbst beschäftigt, zuerst im Laden und dann mit meiner Genesung, dass ich für nichts anderes Sinn hatte. Ich musste mich darauf konzentrieren, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte, und konnte keinen Gedanken an Liebe oder die Zukunft verschwenden. Eine Zeit lang glaubte ich nicht einmal mehr daran, dass es für mich eine Zukunft gab.«
    »Und jetzt?«
    Ich lächelte. »Jetzt hat ein neuer Tag begonnen. Ein neues Leben. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich nicht noch Ballast aus dem alten mit mir herumschleppe. Ich will damit nur Folgendes sagen, Charlie: Ich weiß nicht, ob ich schon wieder daran glauben kann, dass mich jemand liebt. Und das nicht nur wegen der Krankheit. Dieser Zweifel nagt schon lange an mir.«
    »Aber hast du denn nicht gehört, was ich sagte, Evelyn? Ich liebe dich.«
    »Ich weiß. Aber hören und glauben sind zwei verschiedene Dinge. Bevor ich nicht gründlich darüber nachgedacht habe, bin ich vielleicht noch nicht bereit für die Liebe. Und dann war da noch der Kuss«, fügte ich stirnrunzelnd hinzu.
    Beleidigt rückte er von mir ab. »Der Kuss? Was stimmte denn damit nicht? Ich dachte, er wäre ganz gut gewesen.«
    »War er auch. Sogar noch besser. Einfach fantastisch.« Charlie grinste selbstzufrieden.
    »Weißt du, das ist ja das Problem. Du sagst, du liebst mich ohne Einschränkung, doch für mich ist die Vorstellung von körperlicher

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