Die Fährte der Toten
hat in seinen Ohren widerhallt wie Hohnlachen.
***
Catherines Gedanken rasen in ihrem Kopf hin und her. Was weiß er? Hat er einfach nur geraten? Oder ist er cleverer als sie dachte? Egal - sie wird Frank zur Hölle schicken wird, wenn er die Sache zu Ende gebracht hat. Wobei sie sich inzwischen ziemlich sicher ist, dass das Kind ihr die Arbeit abnehmen wird. Und wenn Frank wider Erwarten siegen sollte – nun, dann darf er sich auf einen Besuch der Kutte freuen.
Nur – was, wenn die Kutte ihr Spiel schon längst durchschaut hat und jetzt gerade lächelnd in der Dunkelheit auf sie lauert, um sie dafür zu strafen, dass sie sich seinem Willen widersetzt hat? Was, wenn es nur noch eine Illusion ist, dass sie die Kontrolle hat, während sie in Wirklichkeit auch nur benutzt wird?
Bist du hier? Überlegst du dir gerade, wie es ist, mein Blut zu trinken, meine Seele zu fressen, sie deiner ganz speziellen Sammlung einzuverleiben. Wie ätzende Säure breitet sich die Furcht in Catherines Inneren aus, und auch die Musik, die sie so sehr liebt, kann sie nicht mehr vertreiben.
Mit einem Ruck erhebt sie sich und verlässt ihre Loge, während die Menschen unter ihr weiterhin dem Gesang der Hexen lauschen, die diejenigen ins Verderben locken, die nach Macht suchen und sich dabei in ihrer Gier verlieren.
Samhain / 3
Die Ruinen der alten Mission ragen wie die Zahnstümpfe eines riesigen Ungeheuers aus dem Sand hervor. Lee verzieht den Mund. Was für ein passender Ort für den letzten Akt. Wo lägen Heuchelei und Lüge offener zutage als hier? Sie inspiziert die verwitterten Überreste des Bauwerks aus der Ferne. Nichts zu sehen. Was nichts heißen will. Verstecke gibt es in diesem Loch genug.
Nervös lässt sie ihr Messer in ihrer Rechten rotieren. Der nächtliche Himmel ist wolkenverhangen und gibt dem blassen Trabant nur wenig Gelegenheit, sein kaltes Licht zu verbreiten. Während der Sand die letzten Reste der fiebrigen Hitze abstrahlt, die die Sonne in den Boden gepresst hat, hat sich die Luft schon abgekühlt.
Lee schaut auf die Uhr. Er ist zu spät. Und vor ihr angekommen ist er nicht, dessen ist sie sich sicher. Nachdem sie ihren Wagen in einer Senke versteckt hat, hat sie die Umgebung nach Spuren abgesucht, jedoch zu ihrer Enttäuschung nichts gefunden. Hier war seit langer Zeit niemand mehr.
Er verarscht dich, denkt sie. Oder er will sich einen Vorteil herausholen, weil er darauf spekuliert, dass du kurz vor Sonnenaufgang unruhig wirst. Und dummerweise liegt er damit richtig. Klar, hier gibt es einige Verstecke, wo sie sich vor der Sonne verkriechen kann, und im Gegensatz zu ihr kennt er sie nicht. Nur muss sie die erst einmal erreichen.
Fluchend betrachtet sie die schweigende Wüste, bevor sie ihr Messer in den Stiefelschaft rammt. Du bist unruhig, denkt sie, und das ist nicht gut. Du müsstest konzentriert sein. Stattdessen bist du fahrig. Prüfst deine Waffen gefühlt alle paar Sekunden. Und warum?
Weil du Angst hast, denkt sie. Weil Du fürchtest, dass alles umsonst sein könnte. Dass Tanya schon längst tot ist. Irgendwo da draußen verscharrt, während Kyle mit einem Scharfschützengewehr im Anschlag auf sie lauert, um sie bei der erstbesten Gelegenheit einfach abzuknallen. Nicht dass es dieser kleinen Ratte nützen würde - er kann sie ruhig mit Blei vollpumpen. Das wäre zwar lästig und schmerzhaft, doch für ihn würde es sehr bald eine böse Überraschung geben. Das ist es nicht, was sie quält.
Nein, es ist der Gedanke, dass alles umsonst war und sie wieder allein sein wird. Du hast alle verloren, die dir etwas bedeutet haben, denkt sie. Was bleibt dir denn, wenn du irgendwann den letzten Verantwortlichen für all das zur Hölle geschickt hast? Dann kannst du zurückkehren in deine schöne, kalte, seelenlose Gruft, aus der sich der letzte Rest von Leben und Wärme endgültig zurückgezogen hat. Dich hübsch gemütlich einrichten mit den Geistern der Toten. Das ist es, was dir noch bleibt. Wenn es gut läuft.
Wäre es nicht besser, sie würde am Ende einfach die Sonne begrüßen und sich diesmal wirklich auf ihren Schwingen gen Himmel erheben?
Lee lacht leise auf. Was für ein alberner Gedanke. Was auch immer in ihr schlummert, es wird sie davon abhalten. Wird sie am Leben erhalten, ob sie das nun will oder nicht. Lee spürt, wie sich die Bitterkeit in ihrem Herzen ausbreitet. Und du hattest wirklich geglaubt, du kämst davon.
Sie
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