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Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael White
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eine Schlange sich ihrer Haut entledigt. Dich von ihnen lösen, wie ein neugeborener Hai, der aus dem Leib seiner Mutter entflieht.
     
    Nur über eines sei dir immer im Klaren - wenn du diese Leere in deinem Innern nicht mit etwas anderem füllst, wirst du von innen heraus verfaulen. Es ist ein langsamer Prozess, und du wirst es anfangs nicht einmal bemerken. Bis du auf einmal feststellst, dass du nichts weiter als ein Monstrum bist, das ohne Verstand seinem Untergang entgegen vegetiert.'
     
    Jennifer fixiert Lee mit ihren dunklen Augen.
     
    'Und genau auf diesem Weg befindest du dich gerade.'
     
    Lee will wieder protestieren, aber eine knappe Geste Jennifers lässt sie weiter schweigen.
     
    'Soweit ich es überblicken kann, hast du dir zur Angewohnheit gemacht, deine Opfer ausnahmslos zu töten. Das solltest du dir schnellstmöglich abgewöhnen, meine Liebe. Denn damit erregst du viel zu viel Aufsehen. Und was noch viel schlimmer ist - du verlierst dich irgendwann selbst. Dann wirst du zu einer Gefahr, wenn schon nicht für dich, so doch für andere.'
     
    Lee runzelt die Stirn.
     
    'Moment...willst du mir damit sagen...dass wir nicht töten müssen. Dass es nicht so ist, dass jemand, den ich...gebissen habe...einer von uns wird? Oder mit irgendwas infiziert ist oder so und deshalb eine Gefahr darstellt. Versteh ich das grade richtig?'
     
    Jennifer sieht sie offensichtlich irritiert an und nickt dann.
     
    Lee ballt ihre Fäuste und knirscht mit den Zähnen. All die Zeit, in der sie gezweifelt, in der sie sich zu beherrschen versucht hat. All diejenigen, bei denen sie es nicht konnte... Alles wieder nur eines von Franks kranken Spielen...
     
    'Wenn er dich belogen hat, und ich glaube nicht einmal, dass er es aus seiner Sicht der Dinge getan hat – dann stellt sich die Frage, warum.'
     
    'Stimmt.' Lee verzieht leicht den Mund. 'Gute Frage. Leider keine Ahnung warum, also nächste -
     
    'Nein. Nicht nächste Frage. Es wird einen Grund geben. Und ich glaube nicht, dass es einfach nur Boshaftigkeit war. Gettys ist ein Mörder, und er hat dich zu einer Mörderin gemacht. Da wäre es naheliegend, dass er es als sinnvoll angesehen hat, dich auf diese Weise mit dem wahllosen Töten vertraut zu machen und dir deshalb diese Version erzählt hat. Nur glaube ich das nicht.'
     
    Sie macht eine kurze Pause und ihr Blick wandert nach rechts, zu einem Bild an der Wand, auf der sie mit einer anderen Frau zu sehen ist. Offensichtlich eine Art Empfang. Aber den Kleidern nach zu urteilen, muss es schon sehr, sehr lange her gewesen sein. Tote Zeit, gebannt von einer Kameralinse, aufgespießt wie ein Insekt in einem Sammelkasten.
     
    Jennifer schüttelt leicht den Kopf, immer noch das Bild betrachtend.
     
    'Nein, das macht keinen Sinn...'
     
    Sie wendet sich wieder Lee zu.
     
    ‘Du wirst lernen zu jagen ohne zu töten. Das gilt ab sofort.'
     
    Lee nickt langsam mit dem Kopf, aber auch ihr Blick ist auf das Foto gerichtet. Als wenn es eine wie auch immer geartete Erinnerung hochspülen würde. Plötzlich wird ihr Kopf schmerzhaft zu Seite gebogen. Jennifer schnippt mit dem Finger, und ihre Stimme ist ein Fauchen.
     
    'Sieh mich an, wenn ich mit dir rede. Das ist meine letzte Warnung. Ich bin nicht wie Gettys. Ich lege Wert auf Umgangsformen. Aber ich kann genauso übellaunig werden wie er. Täusche dich da nicht. Ist das klar?'
     
    Lee sieht sie an und schrickt zusammen, als sie den Blick aus den goldglänzenden Raubtieraugen sieht, die auf sie gerichtet sind.
     
    Jennifer löst ihre linke Hand von Lees Hals, begibt sich wieder zu ihrem Platz zurück und setzt sich nun wieder lächelnd, die Beine übereinander schlagend.
     
    'Das hätten wir jetzt hoffentlich ein für alle Mal geklärt. Und damit soll es für diese erste Nacht auch genug sein. Morgen werden wir mit deiner Ausbildung fortfahren. Das wäre bis dahin alles.'
     
    Jennifers Worte dulden keinen Widerspruch, und so erhebt sich Lee, nickt Jennifer noch einmal sacht zu und verlässt ohne ein weiteres Wort den Raum. Für heute reicht es ihr in der Tat.

 
Engel / 6
     
    'Was soll das? Ich werds schon schaffen, unfallfrei durch die Stadt zu fahren.'
     
    'Es ist der ausdrückliche Wunsch der Dame des Hauses, dass ich Sie persönlich begleite.'
     
    'Und worum gehts?'
     
    'Ich bin nicht befugt, mit Ihnen darüber zu reden.'
     
    Mehr war aus Ash nicht rauszukriegen, und so hatte sich Lee in ihr Schicksal gefügt. Sie kannte die Launen ihrer Schwester

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