Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael White
Vom Netzwerk:
kapiert. Besteht kein Grund mehr, darauf herumzureiten. Außerdem…'
     
    Außerdem hast du deinen Hübschen ja auch nicht nur dafür hier, damit er dir die Tür aufhält. Sie beißt sich auf die Lippen. Nein, das Fass macht sie jetzt nicht auf.
     
    '…hast du ja anscheinend nicht vor, mich in naher Zukunft umzulegen. Oder?'
     
    'Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin hier, weil ich dir helfen will. Sei dir bewusst, dass dies ein Privileg ist.'
     
    Jennifer schaute Lee direkt in die Augen.
     
    'Hast du das verstanden?'
     
    Jennifers Stimme ist seidenweich, aber Lee spürt, dass hinter dem sanften Lächeln und dieser betörenden Stimme eine Eiseskälte lauert, die sie so in dieser Form nicht einmal bei Frank verspürt hat. Sie nickt.
     
    'Ja. Ich werd mir Mühe geben, ok? Ist halt alles noch ziemlich neu für mich und - '
     
    'Gut. Wir sind uns also einig. Wenn ich dich so betrachte... '
     
    Jennifer schüttelt den Kopf
     
    '...dann sehe ich ein wildes Tier. Dem ich nur ein Stück rohes Fleisch unter die Nase halten muss, damit es sich darauf stürzt, ohne auch einen einzigen Gedanken darüber zu verschwenden.'
     
    'Ich bin kein - Tier!'
     
    Ihr Verstand schreit ihr zu, dass es ein Test ist, dass Jennifer sie nur provozieren will, doch der Zorn in ihrem Innern ist zu stark. Ihre Muskeln spannen sich, während sie ihre Lippen verzieht und ihre Fangzähne aus dem Kiefer hervorbrechen.
     
    'Ach nein?', sagt Jennifer. ‘Du solltest dich jetzt gerade in diesem Moment einmal anschauen. Möchtest du einen Spiegel? Hm?'
     
    Kaum das Jennifers Worte verklungen sind, bricht sich der Zorn in Lees Innerem endgültig Bahn, und sie stürzt mit einem unmenschlichen Schrei direkt auf Jennifer – nur um zu ihrer Überraschung festzustellen, dass diese nicht mehr vor ihr sitzt. Sondern hinter ihr steht. Jennifers Stimme zischt in ihr Ohr, und Lee empfindet zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Angst.
     
    'Überraschung, kleine Schwester. Ich muss dich enttäuschen - ich bin ein wenig weiter als du, was unsere speziellen Fertigkeiten angeht. Auch wenn du es mir nicht ansehen magst oder auch einfach nicht verstehen willst – meine Geduld ist keineswegs grenzenlos. Genauso wenig wie es die von jemand anderem war. Der dir eine Wunde zugefügt hat, die du nicht so ohne weiteres heilen konntest.'
     
    Jennifer streicht mit einem Finger sanft über die Narbe unter Lees Auge.
     
    'Also, reicht das jetzt, oder muss ich noch deutlicher werden?'
     
    ‚Nein, ich habs kapiert,‘ presst Lee heraus.
     
    Jennifers Griff lockert sich ein wenig.
     
    'Ich sehe, wir verstehen uns. Jetzt setz dich wieder, hör mir zu, benimm dich und halt für das Erste den Mund. Du wirst Fragen stellen dürfen. Das sollst du sogar. Aber zuallererst wirst du der Realität ins Auge sehen. Ob dir diese gefällt oder nicht, spielt dabei keine Rolle.'
     
    Ohne eine Antwort abzuwarten, schleudert Jennifer Lee mit Wucht zurück in den schweren Sessel, der unter Lees plötzlichem Aufprall fast umkippt, dann aber doch samt seiner Last das Gleichgewicht behält.
     
    Währenddessen nimmt Jennifer in aller Ruhe wieder in ihrer Sitzgelegenheit Platz und schenkt Lee ein  entspanntes Lächeln.
     
    'Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, genau. Du bist derzeit nicht viel mehr als ein wildes, blutgieriges Tier. Was wir ja zweifelsohne festgestellt haben.'
     
    Lee knurrt ein wenig, und ihre Hände krallen sich in die Sessellehnen, aber es bedarf nur eines warnenden Blicks von Jennifer, damit sie sich beherrscht.
     
    ‘Du und ich, wir sind Raubtiere. Merk dir das. Und beherzige es. Immer. Egal, wie wir uns nennen oder selber sehen oder besser gesagt gerne sehen würden, wir sind, was wir sind - Raubtiere. Hätten Tiger oder Alligatoren ein eigenes Bewusstsein, sie würden den Akt des Tötens nie in Frage stellen. Und genau so ist es bei uns. Wenn wir uns nicht beherrschen, nicht Meister unserer selbst werden. Deine unbedachte Handlung gerade eben hätte dir bei anderen unserer Art schon mehr Ärger eingebracht, als du verkraften kannst.
     
    Aber – und das ist die Kehrseite der Medaille – du hast noch Gefühle. Was man von vielen unserer Art nicht mehr behaupten kann. Das ist ein Vorteil, den zu nutzen du lernen musst, wenn du überleben willst.'
     
    Jennifer blickt für einen Moment in die Flammen, bevor sie sich wieder Lee zuwendet.
     
    ‘Du kannst natürlich versuchen, deine Gefühle zu verdrängen. Kannst sie einfach verlieren, sie abstreifen, so wie

Weitere Kostenlose Bücher