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Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael White
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durchs Visier. Wie vom Erdboden verschluckt. Eben ist sie noch unter einer Straßenbeleuchtung lang gehuscht, und jetzt scheint es ihm, als hätte die Dunkelheit sie aufgesogen. Ein mulmiges Gefühl macht sich in seinem Magen breit – gefolgt von der Gewissheit, dass er nicht mehr allein ist.
     
    Jake spürt, wie sich seine Nackenhaare aufstellen. Er springt unvermittelt auf und versucht, das Gewehr in Anschlag zu bringen, aber bevor er es auch nur im Ansatz schafft, berührt eine eisige Hand seinen Nacken, und augenblicklich entgleitet die Waffe seinen Händen. Zuerst glaubt er, dass er gelähmt sei, als wenn man ihm die Nackenwirbel gebrochen hätte.
     
    Stattdessen breitet sich flüssige Lava in seinem Körper aus und beginnt ihn zu verbrennen. Jake will sein Qual herausbrüllen, als seine Eingeweide zu verkochen beginnen, doch er bringt keinen Ton heraus. Das Letzte, was Jake Elson in seinem Leben sieht, als er mit einer letzten Kraftanstrengung seinen Kopf herumdreht, ist das Gesicht des Teufels. Er möchte um Gnade flehen, doch er kann nur stumm die Lippen bewegen.
     
    'Das ist nur ein Vorgeschmack' flüstert eine Stimme in seinem Kopf, bevor er in den flammenden Abgrund stürzt, den die Menschen Hölle nennen.
     
    ***
     
    Die Kutte lässt den verdorrten Körper zu Boden gleiten und nickt dann unmerklich zu sich selbst. Es war richtig, dass sie sich dazu herabgelassen hat, in die Geschicke der Menschen einzugreifen. Das Kind ist entkommen. Das ist alles, was zählt. Die Kutte überlegt für einen Moment. Hätte sie das Kind in seine Obhut nehmen sollen? Ist es nicht leichtsinnig, es seinen eigenen Weg gehen zu lassen? Was, wenn Catherine oder gar diese Kreatur namens Frank seine Pläne durchkreuzen? Das darf nicht geschehen, nicht jetzt, wo sie ihrem Ziel so nah gekommen ist.
     
    Das Kind - es kann der Schlüssel sein, den sie genau wie das Gesetz schon seit so langer Zeit sucht. Das Blut der Linien hat sich in dem Kind gekreuzt, und noch hat es seine Menschlichkeit nicht völlig verloren. Nur noch eine Bedingung muss erfüllt sein, und dann ist sie am Ziel. Doch noch ist der Weg weit. Und das Gesetz wird ihm die Beute streitig machen, das ist sicher. Seine alte Feindin wird nicht tatenlos zusehen, wie ihr Widersacher den Preis an sich nimmt. Jahrhundertlang hat sie genau wie die Kutte auf diesen Moment gewartet. Und eher wird sie das Kind vernichten als es ihrem Feind kampflos zu überlassen. Nein, es muss einen anderen Weg geben.
     
    Die Kutte legt den Kopf in den Nacken, versonnen den Sternenhimmel betrachtend, bevor aus ihrer Kehle ein Ruf hervorbricht, der jenseits der Sterne widerhallt und nur für diejenige vernehmbar ist, für die er bestimmt ist.
     
    Sein Kind - es wird kommen. Sie werden sich wiedersehen, nach so langer Zeit. Sie wird ihm Rede und Antwort stehen. Nicht dass es ihr gefallen wird, doch das ist ihm egal. Die Kutte hat sie geschaffen, und sie wird ihre Macht über ihre Schöpfung so ausüben, wie es ihr gefällt. So war es, und so wird es immer sein.
     
    Wie aus dem Nichts beginnt ein Gedanke in seinem Bewusstsein Gestalt anzunehmen - das Kind und es selbst, ein Wesen, dessen Name die Welt aus gutem Grund schon lange vergessen hat – sie werden sich irgendwann einmal gegenüberstehen, von Angesicht zu Angesicht.
     
    An einem Ort, an dem es keine Dunkelheit mehr gibt.
     
    ***
     
    Der Weg kommt Lee unendlich lang vor, dabei ist sie höchstens ein paar Minuten unterwegs.
    Sie zwingt sich zur Ruhe, verlangsamt ihre Schritte und biegt auf das Gelände eines kleinen Gewerbehofes ein, wo sie vor einer Reihe von kleinen Lagerhallen stehenbleibt. Früher wurden hier einmal eine Menge Waren umgeschlagen, aber das ist schon lange her. Auf dem Pflaster haben sich Unrat und Unkraut breitgemacht, doch niemand hat si ch darum gekümmert, und jetzt ist alles dem langsamen Verfall preisgegeben. Eine triste Laterne beleuchtet das Gelände notdürftig. 'Mieten Sie unseren Platz, wenn Ihrer nicht mehr reicht', fordert ein  Reklameschild potentielle Kunden auf, die es schon lange nicht mehr gibt.
     
    Sie geht zu einer Garage herüber, öffnet ein an der Wand angebrachtes Stahlkästchen und tippt eine Zahlenkombination ein. Das Rolltor öffnet sich lautlos, und Lee gleitet in die Garage hinein.
     
    Ein kurzer Blick zeigt ihr, dass hier alles so ist, wie sie es vom letzten Mal in Erinnerung hat, inklusive des niemals vergehenden Geruchs von Motoröl, der immer in der Luft zu hängen scheint.

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