Die Fährte der Toten
Gut, hab zwei unliebsame Zeitgenossen abgeknallt und im Säurebad aufgelöst. Und bei dir, Schatz?
Nein, das wird sie wohl nicht getan haben. Und an deiner Reaktion sehe ich, dass du wirklich nicht weißt, womit du es die ganze Zeit zu tun gehabt hast. Du bist wahrscheinlich wirklich so unwissend wie die meisten da draußen. Ich könnte dich glatt laufen lassen, und du würdest natürlich niemandem von unserer kleinen Unterhaltung erzählen, nicht wahr?'
Daryll starrt den Kerl an. Game over, denkt sie. Er spielt mit dir. Verhöhnt dich. Mit einem Mal verspürt sie eine seltsame Erleichterung. So kommt also der Tod. Leise und unspektakulär, wie ein Geist durch die Tür.
Der Kerl streicht durch seinen strubbeligen Bart, und als Daryll nicht antwortet, nickt er.
'Stolz in den Tod. Punkt für dich. Sieht so aus, als hättest du gerade etwas geschafft, was die meisten Sterblichen nie und nimmer hinbekommen – nämlich, mich zu beeindrucken. Deshalb will ich eine Ehre gewähren – nämlich die, um dein erbärmliches kleines Leben zu kämpfen.‘
Frank grinst sie an, und Daryll sammelt ihre verbliebene Kraft und stürzt sich mit einem verzweifelten Schrei auf ihn. Doch noch bevor sie ihn auch nur erreicht, umschließt eine monströse Klauenhand ihren Nacken, während sie in die seelenlosen Augen eines riesigen Spinnentieres starrt, die zu lächeln scheinen und doch so ohne Leben sind. Das Brechen ihrer Nackenwirbel ist das Letzte, was Daryll hört, bevor die Dunkelheit sie diesmal endgültig einhüllt.
***
Frank betrachtet den leblosen Körper vor ihm und schüttelt den Kopf. Soviel zu Lees Spielzeug, das nun wie eine zerbrochene Puppe vor seinen Füßen liegt. Lee selbst ist da ein ganz anderes Kaliber. Ihre Fähigkeiten haben sich weiter entwickelt. Viel weiter als er erwartet hatte. Aber was wundert es ihn. Er ist schließlich ihr Schöpfer. Auch wenn es ihn tief in seinem Innern beunruhigt, wie lange sie sich vor ihm verborgen halten konnte. Er war so nah an ihr dran, und doch ist sie ihm immer wieder durch die Finger geglitten wie ein Aal.
Gleichzeitig hat sie gelernt, in der Menge der Sterblichen unterzutauchen wie ein Fisch im Wasser. Sie verliert sich nicht, denkt er. Gibt ihre Menschlichkeit nicht so einfach her wie es so viele andere ihrer Art getan haben. Fast schon irritierend, wie sehr sie sich daran klammert.
Nun, sie wird ihm ihr Geheimnis verraten, wenn er sie erst mal gefunden hat. Dann wird er sich an ihr laben. Ihren Zorn in sich aufnehmen. Und ihre Macht.
Ganz sicher.
Engel / 10
Der Regen hat sich in einen Wolkenbruch verwandelt, und als Lee endlich ihre Zuflucht erreicht, ist sie nass bis auf die Knochen. Sie schüttelt sich einmal kurz und sieht sich um. Die Straße ist menschenleer. Kein Wunder, denkt sie. Hier ist um diese Uhrzeit nichts los. Und dennoch – es ist still. Zu still.
Lee fummelt ihr Handy hervor und wählt Darylls Nummer, während sie sich mit dem Rücken gegen eine Hauswand presst und die Umgebung im Auge behält. Eine Stimme teilt ihr mit, dass die Teilnehmerin gerade nicht erreichbar ist. Sie flucht leise vor sich hin, schleicht zur Rückseite ihres Hauses und sieht sich noch einmal um, bevor sie schnell die Treppe zum Keller hinunterhuscht. Im Keller selbst ist es stockfinster. Nur das leise Summen eines Generators begrüßt sie. Ihre Augen verwandeln sich in schmale Schlitze und ihr Blick durchdringt die Dunkelheit, während sie zur nächsten Tür geht, hinter der sich der Fluchtraum befindet. Wie schön, dass die Vorbesitzer so paranoid waren, denkt sie. Für ein Wesen ihrer Art gibt es keinen besseren Rückzugsort. Hier kann man angeblich sogar Atomangriffe überleben. Ihr reicht es schon, wenn sich keine ungebetenen Gäste Zutritt verschaffen können.
Trotzdem beschleicht sie ein leichtes Misstrauen. Doch auch hier ist alles wie gehabt. Nichts ist verändert, alles an seinem Platz. Niemand war hier. Wie auch? Und trotzdem – das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, lässt sie nicht los. Egal, denkt sie, jetzt ist keine Zeit, sich um so etwas Gedanken zu machen. Sie pellt sich aus dem triefnassen Kleid, trocknet sich grob ab und schlüpft in ihre gewohnte Kleidung.
Als sie ihre Waffe in das Rückenholster schiebt, glaubt sie mit ihren geschärften Sinnen einen Laut von draußen zu hören. Sie erstarrt und lauscht noch einmal. Nichts. Mit einer langsamen Bewegung zieht Lee ihr Messer, drückt sich an die
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