Die Fährte der Toten
während er versucht, die Gedanken in seinem Kopf zu ordnen.
Variante eins - Manzana war ein Killerauftrag. Wilcott war in der Stadt, um die Sache gerade zu rücken und seinerseits Manzanas Killer kalt zu machen. Er findet eine Spur und geht ihr nach. Pech für Wilcott, dass der Killer ihn zuerst findet und den Spieß einfach umdreht. Wäre möglich. Nur hat Kyle das bohrende Gefühl, dass es nicht so war.
Was zu Variante zwei führt - Wilcott war nicht wegen Manzana in der Stadt. Sondern weil er jemanden sucht. Vor dem er sich fürchtet. Zu Recht. Die Sache mit Manzana wäre dann reiner Zufall. Kyle wägt diese Variante kurz ab, bevor er auch sie verwirft. Nein, Wilcott wurde von der gleichen Person umgelegt, die Manzana gekillt hat.
Also Variante drei - Wilcott ist in der Stadt und auf der Suche nach dem Killer, den er umlegen will, sei es um sich selbst zu schützen, sei es, weil er einen Auftrag hat. Er bekommt mit, dass jemand Manzana abschlachtet. Wilcott schnüffelt ein wenig herum und bekommt Wind von der Sache mit der Nutte, die bei Manzana war und die wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint. An der Rezeption konnte sich angeblich keiner so richtig dran erinnern, was genau an dem Abend gelaufen war. Kein Wunder – in dem Laden wird viel Wert auf Diskretion gelegt. Niemand fragt, niemand sieht zu genau hin. Der Kunde ist König. Wahrscheinlich hatte die Kleine einfach Glück und war schon weg, als es losging. Oder sie hat die Sauerei vorgefunden und ist getürmt, ohne ein Wort zu sagen. Wäre auch denkbar.
In jedem Fall zählt Wilcott eins und eins zusammen, sucht nach der verschwundenen Nutte und landet schließlich im richtigen Laden. Offenbar hatte er den richtigen Riecher gehabt. Kyle nickt anerkennend. Klar, Wilcott war alles andere als ein Anfänger gewesen. Wenn Manzana keinen einschlägigen Service nutzte und stattdessen jemanden suchte, der ihm das richtige Frischfleisch liefern konnte, dessen Verschwinden kein Aufsehen erregen würde, dann kamen in der Tat nicht viele Leute in Frage.
Kyle spinnt den Faden weiter. Wilcott bekommt die Information, die er braucht, macht sich auf die Suche nach der kleinen Schlampe und findet eine Spur - die in einer Seitengasse endet, wo er zu Hackfleisch verarbeitet wird. Die Millionenfrage lautet nun - von wem? Wer auch immer es war, fest steht, dass Wilcott Angst vor seiner Mörderin hatte, wenn Kyles Quelle keine Märchen erzählt hatte. Genau wie dieser dreckige kleine halbverfaulte Spitzel selbst. Seine Stimme wabert wieder durch Kyles Gedanken.
'Wilcott wollte ihr zuvorkommen, bevor sie seine Fährte aufnehmen und die Jagd auf ihn eröffnen würde. Er wusste, dass sie früher oder später hinter ihm her sein würde. Sie ist wie ein Bluthund – wenn sie einmal Witterung aufgenommen hat, entkommt man ihr nicht mehr. Wilcott war der Letzte. Alle anderen sind tot. Er wollte die Sache zu Ende bringen und sie erledigen. Nun hat sie ihn erledigt. So wie die anderen. Und jetzt ist sie hinter mir her. Und damit auch hinter dir, McCarson. Denn du warst auch dabei!'
Die Worte eines von Krebs und Drogen zerfressenen Wracks. Kyle schüttelt den Kopf. So ein Schwachsinn!
'Wo zur Hölle bin ich dabei gewesen?' hatte er gefragt.
Das Wrack hatte nur gelacht.
'Finde es heraus', hatte es gehöhnt. 'Ich weiß es nicht.'
Kyle hatte ihm nicht geglaubt, aber er hatte nicht die Zeit gehabt, den Kerl persönlich aufzusuchen und auszuquetschen. Das musste er ihm lassen – er hatte es geschafft, sich unsichtbar zu machen. Wahrscheinlich war er deshalb auch der letzte, der noch seinen Morgenschiss verrichten konnte. Außer Dir selbst natürlich, denkt Kyle.
Er starrt gebannt in den Spiegel und betrachtet das Bild, das ihm entgegenblickt. Du siehst älter aus, als du wirklich bist, denkt er. Kurz blitzt der Wunsch auf, seine Faust in den Spiegel zu rammen. Kyle beherrscht sich mit Mühe. Reiß dich zusammen, verdammt. Denk nach! Wen hat Wilcott wirklich gefunden? Die kleine Nutte? Oder jemand anderes? Diejenige, vor der er solche Angst hatte, dass er sie um jeden Preis umlegen wollte, bevor sie seine Spur aufnehmen würde?
Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Er muss den gleichen Weg gehen.
***
Gerald schrickt zusammen, als sich die Tür öffnet.
'Verdammte Scheiße, schon mal was von Anklopfen gehört? Sind wir hier neuerdings im Zoo, wo die Schimpansen Freigang haben?'
Er dreht sich zur
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