Die Fährte
und zeigte ihr, wo wir überall gespielt haben, als wir klein waren.«
»Auch den Fußgängerüberweg?«
»Nein, den nicht.« Trond hob nachdenklich seine Hände und blickte sie an.
»Aber glauben Sie nicht, dass er das aus Rücksicht auf sich selbst getan hat. Er erzählte mehr als gerne von all dem Unsinn, den er gemacht hatte. Aber er wusste, ich wollte nicht, dass sie erfuhr, was für einen Bruder ich habe.«
»Hm. Sind Sie sicher, dass Sie Ihrem Bruder gerade nicht eine edlere Gesinnung verpassen, als er wirklich hat?«
Trond schüttelte den Kopf. »Lev hat eine helle und eine dunkle Seite. Wie wir alle. Für die, die er mag, geht er durchs Feuer.«
»Aber nicht ins Gefängnis?«
Trond öffnete den Mund, aber es kam keine Antwort. Die Haut unter einem seiner Augen zuckte. Harry seufzte und stand mühsam auf. »Ich muss mir ein Taxi rufen, um zur Ambulanz zu kommen.«
»Ich bin mit dem Auto da«, sagte Trond.
Der Automotor brummte leise. Harry starrte auf die Lichter der Straße, die vor dem nachtschwarzen Himmel vorbeiglitten, das Armaturenbrett und das Lenkrad, auf dem der Diamant an Tronds kleinem Finger matt funkelte.
»Was den Ring angeht, den Sie tragen, haben Sie gelogen«, flüsterte Harry. »Der Diamant ist zu klein, um dreißigtausend gekostet zu haben. Ich denke, der hat etwa fünftausend gekostet und Sie haben ihn hier bei einem Juwelier gekauft. Richtig?«
Trond nickte.
»Sie haben Lev in São Paulo getroffen, nicht wahr? Das Geld war für ihn.«
Trond nickte erneut.
»Genug Geld für eine Weile«, sagte Harry. »Und genug für ein Flugticket, nachdem er sich entschlossen hatte, nach Oslo zu kommen und wieder zu arbeiten.«
Trond antwortete nicht.
»Lev ist noch immer in Oslo«, flüsterte Harry. »Ich will seine Handynummer.«
»Wissen Sie was?« Trond bog vorsichtig nach rechts auf den Alexander-Kielland-Platz ab. »Heute Nacht habe ich geträumt, dass Stine zu mir ins Schlafzimmer gekommen ist und mit mir gesprochen hat. Sie trug ein Engelskostüm. Nicht so wie wirkliche Engel, sondern so ein Narrenkostüm wie im Karneval. Sie hat mir gesagt, sie gehöre dort oben nicht hin. Und als ich aufwachte, musste ich an Lev denken. Ich dachte daran, wie er mit baumelnden Beinen auf der Kante des Schuldaches saß, während wir zurück in die Klassenzimmer gingen. Er sah wie ein winziger Punkt aus, aber ich weiß noch, was ich dachte. Dass er dort oben hingehört.«
Kapitel 25 – Baksheesh
Drei Personen saßen in Ivarssons Büro. Ivarsson hinter seinem aufgeräumten Schreibtisch und Beate und Harry auf niedrigen Stühlen davor. Der Trick mit den niedrigeren Stühlen basiert auf einer Herrschertechnik, die so alt ist, dass man fast meinen könnte, sie würde nicht mehr funktionieren, aber Ivarsson wusste es besser. Seine Erfahrung bestätigte, dass grundlegende Techniken nie ihre Wirkung einbüßten.
Harry hatte seinen Stuhl schräg gestellt, so dass er aus dem Fenster sehen konnte. Er hatte Aussicht aufs Plaza Hotel. Runde Wolken kratzten über den Glasturm und die Stadt, ohne aber auch nur einen Tropfen Regen freizugeben. Harry hatte nicht geschlafen, obgleich er nach der Spritze gegen Wundstarrkrampf schmerzstillende Mittel bekommen hatte. Das, was er den Kollegen über den wütenden, herrenlosen Hund erzählt hatte, war originell genug, um glaubwürdig zu sein und nah genug an der Wahrheit, dass er es überzeugend genug hatte darlegen können. Sein Nacken war geschwollen und der stramme Verband schnitt ihm in die Haut. Harry wusste ganz genau, wie weh es tun würde, wenn er versuchte, den Kopf zu Ivarsson zu drehen, der das Wort ergriffen hatte. Und er wusste, dass er es auch dann nicht getan hätte, wenn es nicht wehgetan hätte.
»So, ihr wollt also Flugtickets nach Brasilien, um dort zu suchen?«, sagte Ivarsson, fuhr mit der Hand über die Tischplatte vor sich und tat so, als unterdrückte er ein Lächeln. »Während der Exekutor, wie alle Beweise zeigen, noch immer in Oslo ist und es auf weitere Banken abgesehen hat?«
»Wir wissen nicht, wo in Oslo er ist«, sagte Beate. »Oder ob er in Oslo ist. Aber wir hoffen, dass es uns gelingt, das Haus aufzuspüren, in dem er den Aussagen seines Bruders zufolge in Porto Seguro lebt. Finden wir es, haben wir auch seine Fingerabdrücke. Und wenn sie mit den Fingerabdrücken auf der Colaflasche übereinstimmen, haben wir entscheidende Indizien. Das sollte die Reise wert sein.«
»Ach ja? Und was sollen das für
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