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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Brasilianer sie nannten, aber Fred war nicht mehr so oft dort gewesen, seit sie den Kühlschrank ins Wohnzimmer gestellt hatten.
    Er lag auf dem Sofa und plante seinen nächsten Schritt an diesem Tag, als Roger hereinkam.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Fred.
    »In der Apotheke in Porto«, sagte Roger mit breitem Grinsen. »Du glaubst nicht, was sie da so einfach über den Tresen gehen lassen. Da kriegst du Sachen, die du in Norwegen noch nicht einmal auf Rezept bekommst.« Er leerte den Inhalt der Plastiktüte aus und begann die Etiketten vorzulesen.
    »Drei Milligramm Benzodiazepin. Zwei Milligramm Flunitrazepam. Verflucht, Fred, das ist praktisch Rohypnol!«
    Fred gab keine Antwort.
    »Schlechte Laune?«, sprudelte Roger weiter. »Hast du noch nichts zu essen gekriegt?«
    »Não. Nur einen Kaffee bei Mohammed. Da war übrigens ein komischer Kerl. Hat ihn nach Lev gefragt.«
    Roger blickte abrupt von seinen Apothekensachen auf. »Nach Lev? Wie sah er aus?«
    »Groß, blond und blaue Augen. Hörte sich wie ein Norweger an.«
    »Scheiße, jag mir doch nicht so einen Schreck ein, Fred.« Roger konzentrierte sich wieder auf seine Waren.
    »Wie meinst du das?«
    »Lass es mich mal so ausdrücken: Wenn er groß, dunkel und dünn gewesen wäre, wäre es an der Zeit gewesen, aus D'Ajuda abzuhauen. Und überhaupt aus dem westlichen Teil der Erde. Sah er wie ein Bulle aus?«
    »Wie sehen Bullen aus?«
    »Sie … ach vergiss es, Ölheini.«
    »Er sah aus, als hätte er Durst. So was erkenne ich.«
    »O.K. Vielleicht ein Kumpel von Lev. Sollen wir ihm helfen?«
    Fred schüttelte den Kopf. »Lev hat gesagt, dass er hier vollkommen in … in … irgend so ein lateinisches Wort, das bedeutet, dass es geheim ist. Mohammed hat so getan, als hätte er noch nie von einem Lev gehört. Der Kerl wird Lev schon finden, wenn Lev das will.«
    »Ich hab doch nur einen Witz gemacht. Wo ist Lev eigentlich? Ich hab ihn schon seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen?«
    »Ich hab nur gehört, dass er für eine Weile nach Norwegen wollte«, sagte Fred und versuchte vorsichtig, den Kopf zu heben.
    »Vielleicht hat er sich eine Bank vorgeknöpft und ist geschnappt worden«, sagte Roger und musste bei dem Gedanken lächeln. Nicht weil er wollte, dass Lev geschnappt wurde, sondern weil ihm der Gedanke, eine Bank zu überfallen, immer irgendwie Spaß machte. Persönlich hatte er das dreimal getan und es war jedes Mal der gleiche Kick gewesen. Bei den ersten beiden Versuchen waren sie zwar gefasst worden, doch beim dritten Mal hatte er alles richtig gemacht. Wenn er den Coup beschrieb, vergaß er in der Regel den glücklichen Umstand, dass die Überwachungskameras zufälligerweise gerade außer Funktion waren. Was aber auf jeden Fall dazu geführt hatte, dass er jetzt sein Otium – und manchmal auch Opium – in D'Ajuda genießen konnte. Das schöne, kleine Städtchen lag direkt südlich von Porto Seguro und hatte bis vor kurzem die größte Ansammlung gesuchter Individuen südlich von Bogota beherbergt. Diese Tendenz hatte in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts begonnen, als D'Ajuda zu einer Art Zentrum für Hippies und Reisende geworden war, die vom Spielen lebten und davon, im Sommer in Europa selbst gemachten Schmuck zu verkaufen. Sie brachten eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle für den Ort und störten eigentlich niemanden, so dass die zwei brasilianischen Familien, denen im Grunde alles in D'Ajuda gehörte, ein Abkommen mit dem lokalen Polizeichef trafen, nicht so genau hinzusehen, wenn am Strand Marihuana geraucht wurde, oder in den Cafes, in den immer zahlreicheren Bars und schließlich auch auf offener Straße.
    Aber das war ein Problem: Eine wichtige Einnahmequelle der Polizisten – die nur einen Hungerlohn vom Staat erhielten – waren hier wie auch an anderen Orten die »Geldbußen« für die Marihuana rauchenden Touristen sowie für Vergehen gegen weitere mehr oder weniger unbekannte Gesetze. Damit aber die Wohlstand bringenden Touristen und die Polizisten in friedlicher Koexistenz leben konnten, mussten die Familien dafür sorgen, dass es alternative Einnahmemöglichkeiten für die Polizei gab. So begannen der amerikanische Soziologe und sein argentinischer Lover, die die lokale Produktion und den Verkauf von Marihuana unter sich hatten, eine Art Provision an den Polizeichef zu zahlen, damit sich dieser für den Erhalt des Monopols stark machte – was dazu führte, dass potenzielle Konkurrenten sofort festgenommen

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