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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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noch daran erinnerst.«
    »Wie könnte ich das vergessen?«
    »Tja, man hört ja so viel über die Spätfolgen des Trinkens.«
    Es gelang Harry gerade noch, sich mit einem Arm am Armaturenbrett abzustützen, so dass ihn das plötzliche Bremsen nicht in die Frontscheibe katapultierte. Der Deckel des Handschuhfachs sprang auf, und etwas Hartes traf Harry am Knie, ehe es auf den Wagenboden fiel.
    »Verflucht, was war das?«
    »Jericho 941, israelische Polizeipistole«, sagte Waaler und machte den Motor aus. »Nicht geladen. Lass sie liegen, wir sind da.«
    »Hier?«, fragte Harry überrascht und beugte sich hinunter, um an der gelben Fassade vor ihnen emporzuschauen.
    »Warum nicht?«, sagte Waaler, der bereits halb aus dem Wagen gestiegen war.
    Harry spürte, wie sein Herz zu hämmern begann. Und während er nach dem Türöffner suchte, schoss immer wieder ein Gedanke durch seinen Kopf, bis er sich schließlich festsetzte: Er hätte Rakel zurückrufen sollen.
     
    Der Nebel war zurück. Er kam von der Straße herangewabert, aus den Spalten der geschlossenen Fenster, hinter den Bäumen der Stadtallee, aus der blauen Haustür, die sich geöffnet hatte, nachdem sie Weber kurz über die Sprechanlage gehört hatten, und durch die Schlüssellöcher all der Türen, an denen sie auf dem Weg die Treppe hinauf vorbeikamen. Er schlang sich wie eine Decke aus Baumwolle um Harry, und als sie durch die Wohnungstür traten, hatte Harry das Gefühl, durch Milch zu gehen. Alles um ihn herum – die Menschen, die Stimmen, das Knattern der Walkie-Talkies, das Licht der Blitzgeräte – hatte etwas Traumartiges, eine Aura der Gleichgültigkeit, denn es stimmte nicht, es durfte nicht wahr sein, nicht wirklich. Und als sie vor dem Bett standen, auf dem die Tote lag, eine Pistole in der rechten Hand und ein schwarzes Loch in der Stirn, gelang es Harry nicht, seine Augen auf das Blut auf dem Kopfkissen zu richten oder ihrem leeren, anklagenden Blick zu begegnen. Stattdessen starrte er auf den Bettpfosten, auf das Pferd mit dem abgebissenen Kopf, und hoffte, dass sich der Nebel lichtete und er endlich erwachte.
     

 
     
     

    Kapitel 10 – Sorgenfrei
     
    Die Stimmen um ihn herum kamen und gingen.
    »Ich bin Hauptkommissar Tom Waaler. Kann mir jemand kurz Bericht erstatten?«
    »Wir sind vor einer Dreiviertelstunde gekommen. Der Elektriker hat sie gefunden.«
    »Wann?«
    »Um fünf. Er hat sofort die Polizei gerufen. Seine Name ist … Moment … Rene Jensen. Hier hab ich auch seine Privatnummer und Adresse.«
    »Gut. Rufen Sie im Präsidium an und lassen Sie überprüfen, ob irgendetwas gegen ihn vorliegt.«
    »O.K.«
    »Rene Jensen?«
    »Das bin ich.«
    »Können Sie hierher kommen? Mein Name ist Waaler. Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Wie ich schon den anderen gesagt habe, mit dem Reserveschlüssel. Sie war Dienstag bei mir im Geschäft und hat mir den Schlüssel gegeben, weil sie nicht zu Hause sein würde, wenn ich den Auftrag erledige.«
    »Weil sie auf der Arbeit sein musste?«
    »Keine Ahnung. Ich glaub nicht, dass sie einen Job hat. Jedenfalls keinen gewöhnlichen. Sie hat von einer großen Ausstellung mit allem Drum und Dran gesprochen.«
    »Künstlerin also. Hat jemand hier mal etwas von ihr gehört?«
    Stille.
    »Was haben Sie im Schlafzimmer gemacht, Jensen?«
    »Nach dem Bad gesucht.«
    Eine andere Stimme: »Das Bad ist hier hinter der Tür.«
    »O.K. Haben Sie irgendetwas Verdächtiges bemerkt, als Sie in die Wohnung kamen, Jensen?«
    »Etwas Verdächtiges … wie meinen Sie das?«
    »War die Tür verschlossen? Waren Fenster geöffnet? Komische Gerüche oder Geräusche? Irgendwas.«
    »Die Tür war verschlossen. Offene Fenster habe ich nicht gesehen, hab aber auch nicht drauf geachtet. Gerochen hab ich bloß so'n Lösungsmittelkram.«
    »Terpentin?«
    Die andere Stimme: »In einem der Zimmer stehen Malersachen.«
    »Danke. Haben Sie sonst noch etwas bemerkt, Jensen?«
    »Was war noch mal das Letzte?«
    »Geräusche.«
    »Geräusche, ja! Nein, ich hab überhaupt nichts gehört, es war totenstill. Also, hehe … ich wollte keinen …«
    »Ist schon O.K., Jensen. Haben Sie die Tote vorher schon einmal gesehen?«
    »Ich habe sie nie gesehen, bis sie in mein Geschäft kam. Da war sie ziemlich gut drauf.«
    »Was sollten Sie tun?«
    »Den Thermostat an der Badezimmerheizung reparieren.«
    »Könnten Sie bitte überprüfen, ob mit dem Thermostat wirklich etwas nicht stimmt? Ob sie überhaupt eine Fußbodenheizung hat?«
    »Ähh,

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