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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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wieso … ach ja, verstehe, dass sie den ganzen Scheiß geplant hat und wir sie so finden sollten, was?«
    »Ja, so ähnlich.«
    »Ähh, also, der Thermostat hatte wirklich den Geist aufgegeben.«
    »Den Geist aufgegeben?«
    »Kaputt.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Pause.
    »Hat man Ihnen nicht gesagt, dass Sie nichts anfassen sollen, Jensen?«
    »Doch, doch, aber das dauerte so verflucht lange, bis ihr kamt, und ich wurde so nervös, dass ich einfach irgendetwas machen musste.«
    »Und jetzt hat die Tote einen reparierten Thermostat?«
    »Ähh, hehe … ja.«
    Harry versuchte vom Bett aufzustehen, doch seine Füße wollten sich nicht bewegen. Der Arzt hatte Anna die Lider geschlossen, und jetzt sah sie aus, als schliefe sie. Tom Waaler hatte den Elektriker nach Hause geschickt und ihn gebeten, sich in den nächsten Tagen zur Verfügung zu halten. Dann hatte er die Beamten der alarmierten Polizeiwache zurückgeschickt. Harry hätte das niemals für möglich gehalten, aber er war tatsächlich froh darüber, dass Tom Waaler da war. Ohne den erfahrenen Kollegen vor Ort wäre nicht eine einzige vernünftige Frage gestellt und erst recht kein richtiger Entschluss gefällt worden.
    Waaler fragte den Arzt, ob er ihnen eine vorläufige Stellungnahme abgeben könne.
    »Die Kugel ist anscheinend durch den Kopf geschlagen, hat das Gehirn zerstört und damit alle vitalen Körperfunktionen lahm gelegt. Wenn wir davon ausgehen, dass die Temperatur im Zimmer konstant war, sollte man bei der aktuellen Körpertemperatur davon ausgehen, dass sie seit mindestens sechzehn Stunden tot ist. Kein Zeichen anderer Gewalteinwirkung. Keine Einstichwunden oder andere Anzeichen von Medikamentenmissbrauch. Aber …« Der Arzt machte eine Kunstpause. »Die Narben an den Handgelenken deuten daraufhin, dass sie so etwas schon einmal versucht hat. Eine rein spekulative, aber qualifizierte Diagnose könnte lauten: manisch-depressiv oder einfach nur depressiv und lebensmüde. Ich denke, dass wir bei irgendeinem Psychologen eine Akte über sie finden.«
    Harry versuchte, etwas zu sagen, doch seine Zunge gehorchte ihm nicht.
    »Ich weiß das besser, wenn ich sie mir ein bisschen genauer angesehen habe.«
    »Danke, Doktor, wie sieht es bei dir aus, Weber?«
    »Bei der Waffe handelt es sich um eine Beretta M92F, ein ziemlich gewöhnlicher Waffentyp. Auf dem Griff findet sich nur ein Satz Fingerabdrücke, der also zwangsläufig von ihr stammt. Das Projektil steckte im Bettpfosten und die Munition passt zur Waffe, die Ballistik wird da auch nicht zu anderen Schlüssen kommen. Aber den vollständigen Bericht bekommt ihr erst morgen.«
    »Gut, Weber. Noch eine Sache. Es war abgeschlossen, als der Elektriker kam. Ich habe bemerkt, dass die Wohnungstür kein Schnappschloss hat, was bedeutet, dass nicht einfach jemand die Wohnung verlassen haben kann, außer natürlich, er hätte den Schlüssel der Toten mitgenommen. Wenn wir ihren Schlüssel finden, stehen wir, mit anderen Worten, vor der Lösung des Falls.«
    Weber nickte und hob einen gelben Bleistift in die Höhe, an dem ein Schlüsselbund hing. »Lag auf der Kommode im Flur. Das ist ein Systemschlüssel, mit dem man auch die Haustür und alle anderen, gemeinschaftlich genutzten Räume öffnen kann. Ich habe es überprüft, es ist der Wohnungsschlüssel.«
    »Wunderbar. Dann fehlt uns eigentlich nur noch ein unterschriebener Abschiedsbrief. Hat jemand etwas dagegen, dass wir das hier einen klaren Fall nennen?«
    Waaler ließ seinen Blick über Weber, den Arzt und Harry schweifen. »O.K. Dann können die Angehörigen die traurige Botschaft erhalten und zur Identifizierung kommen.«
    Er ging auf den Flur, während Harry am Bett stehen blieb. Kurz darauf schob Waaler noch einmal seinen Kopf durch die Tür.
    »Ist das nicht geil, wenn so eine Patience gleich beim ersten Mal aufgeht, Hole?«
    Harrys Gehirn gab seinem Kopf den Befehl zu nicken, doch er hatte keine Ahnung, ob er ihm gehorchte.
     

 
     
     

    Kapitel 11 – Illusion
     
    Ich sehe mir das erste Video an. Wenn ich es Bild für Bild laufen lasse, erkenne ich sogar die Stichflamme. Pulverpartikel, die noch nicht zu reiner Energie geworden sind, wie ein glühender Asteroidenschwarm, der dem großen Kometen bis in die Atmosphäre gefolgt ist, wo er verglüht, während der Komet selbst unbeirrt seine Reise fortsetzt. Und niemand kann etwas tun, denn seine Bahn wurde vor Millionen von Jahren vorherbestimmt, vor dem Erscheinen der Menschen, vor den

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