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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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blitzsauberer Weste?«
    »Genau. Einen Keks?«
    Beate schüttelte den Kopf.
    Es war Webers freier Tag, doch Harry hatte am Telefon darauf bestanden, sofort mit ihm zu sprechen. Er wusste, dass Weber ungern zu Hause Besuch empfing, aber das konnte er jetzt nicht ändern.
    »Wir haben mit dem Wachhabenden der Kriminaltechnik gesprochen, um die Fingerabdrücke auf der Colaflasche mit den Fingerabdrücken der früheren Überfälle zu vergleichen, mit denen Lev Grette in Verbindung gebracht wird«, sagte Beate. »Aber er hat keine gefunden.«
    »Wie gesagt«, erwiderte Weber und versicherte sich, dass der Deckel der Kaffeekanne in der richtigen Position war. »Lev Grette hat niemals irgendwelche Spuren am Tatort zurückgelassen.«
    Beate blätterte durch ihre Notizen. »Sind Sie der gleichen Meinung wie Raskol? Dass Lev Grette unser Täter ist?«
    »Tja. Warum nicht?« Weber begann Kaffee einzugießen.
    »Weil bei den anderen Überfällen, derer er verdächtigt wird, nie Gewalt angewendet wurde. Und weil sie seine einzige Schwägerin war. Zu töten, weil man erkannt werden könnte – ist das nicht ein etwas schwaches Motiv?«
    Weber hielt inne und sah sie an. Dann blickte er fragend zu Harry und zuckte mit den Schultern.
    »Nein«, sagte er. Und goss weiter ein. Beate wurde tiefrot.
    »Weber gehört zur klassischen Schule«, sagte Harry fast entschuldigend. »Er meint, dass es für Mord per Definition kein rationales Motiv gibt. Bloß eine Abstufung mehr oder weniger verwirrter Motive, die manchmal einer gewissen Vernunft ähneln können.«
    »So ist es«, sagte Weber und stellte die Kanne ab.
    »Was ich mich frage …«, fuhr Harry fort, »… ist, warum Lev Grette außer Landes floh, wenn die Polizei doch nichts gegen ihn in der Hand hatte?«
    Weber wischte unsichtbaren Staub von der Armlehne. »Ich weiß es nicht sicher.«
    »Sicher?«
    Weber presste den dünnen feinen Porzellanhenkel der Kaffeetasse zwischen seinen dicken Daumen und den vom Nikotin gelben Zeigefinger. »Damals kursierte ein Gerücht. Wir schenkten dem seinerzeit keinen Glauben. Es wurde behauptet, dass er nicht vor der Polizei geflohen sei. Jemand hatte gehört, dass der letzte Bankraub nicht ganz nach Plan verlaufen sei. Dass Grette seinen Partner im Stich gelassen hätte.«
    »Inwiefern?«, fragte Beate.
    »Das wusste niemand. Jemand meinte, Grette sei der Fahrer gewesen und abgehauen, als die Polizei kam, während der andere noch in der Bank war. Andere behaupteten, der Überfall sei gelungen, doch Grette habe sich mit dem gesamten Geld ins Ausland abgesetzt.« Weber nahm einen Schluck und stellte die Tasse dann wieder vorsichtig ab. »Aber das Interessante an dieser Sache ist vielleicht weniger, wie das damals abgelaufen ist, sondern eher, wer die andere Person war.«
    Harry sah Weber an. »Meinst du, das war …«
    Der alte Polizeitechniker nickte. Beate und Harry sahen sich an.
    »Scheiße«, sagte Harry.
    Beate blinkte nach links und wartete auf eine Lücke im Strom des von rechts über die Tøyengata heranrollenden Verkehrs. Der Regen trommelte aufs Dach. Harry schloss die Augen. Er wusste, wenn er sich konzentrierte, konnte sich das Rauschen der Autos in das Branden der Wellen gegen den Bug der Fähre verwandeln, auf der er im Wind an Großvaters Hand stand und in die weiße Gischt hinunterstarrte. Doch er hatte keine Zeit.
    »Raskol hat mit Lev Grette also noch eine Rechnung offen«, sagte Harry und öffnete die Augen. »Und identifiziert ihn als Täter. Ist das auf dem Video wirklich Grette oder will Raskol sich bloß an ihm rächen? Oder ist das bloß wieder ein Kniff von Raskol, um uns in die Irre zu führen?«
    »Oder – wie Weber sagte – bloß Gerüchte«, gab Beate zu bedenken. Noch immer rollten von rechts Autos heran, während Beate ungeduldig auf das Lenkrad trommelte.
    »Vielleicht hast du Recht«, sagte Harry. »Wenn sich Raskol an Grette rächen wollte, brauchte er dazu nicht die Hilfe der Polizei. Doch wenn es nur Gerüchte sind, warum nennt er uns dann Grette, wenn es gar nicht Grette ist?«
    »Bloß eine Idee?«
    Harry schüttelte den Kopf. »Raskol ist ein Taktiker. Er setzt uns nicht auf die Fährte des falschen Mannes, ohne damit etwas zu bezwecken. Es ist nicht sicher, dass der Exekutor diese Sachen ganz allein durchzieht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Vielleicht plant ein anderer diese Überfälle. Einer, der die Strippen zieht und die Waffen besorgt. Den Fluchtwagen. Die konspirative Wohnung. Ein Cleaner, der

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