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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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»Woher wollen Sie wissen, dass Anna Sie nicht liebte?«, fragte er.
    Harry zuckte mit den Schultern.
     
    Mit Handschellen aneinander gekettet gingen sie durch den Kulvert.
    »Seien Sie sich nicht so sicher, dass ich wirklich weiß, wer der Täter ist«, sagte Raskol. »Es kann ein Outsider sein.«
    »Ich weiß«, sagte Harry.
    »Gut.«
    »Wenn Anna also die Tochter von Stefan ist und er in Norwegen lebt, warum ist er dann nicht zur Beerdigung gekommen?«
    »Weil er tot ist. Er ist vor ein paar Jahren vom Dach eines Hauses gestürzt, das sie renoviert haben.«
    »Und Annas Mutter?«
    »Sie ging nach Stefans Tod mit Schwester und Bruder wieder nach Rumänien. Ich habe ihre Adresse nicht und bezweifle, dass sie überhaupt eine haben.«
    »Sie haben Ivarsson gesagt, Annas Familie käme nicht, weil Anna Schande über sie gebracht hätte.«
    »Hab ich das?« Harry konnte das Vergnügen in Raskols braunen Augen erkennen. »Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass ich da gelogen habe?«
    »Ja.«
    »Aber ich habe nicht gelogen. Anna war von ihrer Familie verstoßen. Sie existierte für ihren Vater nicht mehr, und er verbot allen, ihren Namen zu nennen. Um mahrine zu verhindern. Verstehen Sie?«
    »Vermutlich nicht.«
    Sie gingen ins Präsidium und warteten vor dem Aufzug. Raskol murmelte vor sich hin, ehe er laut sagte: »Warum vertrauen Sie mir, Spiuni?«
    »Habe ich eine Wahl?«
    »Man hat immer eine Wahl.«
    »Interessanter finde ich die Frage, warum Sie mir vertrauen. Auch wenn der Schlüssel, den Sie von mir bekommen haben, demjenigen von Annas Wohnung entspricht, brauche ich den ja nicht wirklich beim Mörder gefunden zu haben.«
    Raskol schüttelte den Kopf. »Sie missverstehen mich. Ich vertraue niemandem. Ich vertraue nur auf meinen eigenen Instinkt. Und der sagt mir, dass Sie kein dummer Mann sind. Jeder hat etwas, wofür er lebt. Etwas, das man ihm nehmen kann. Sie auch. Das ist alles.«
    Die Aufzugtüren öffneten sich und sie gingen in den Fahrstuhl.
     
    Harry studierte Raskol im Halbdunkel, während er sich das Video des Überfalls ansah. Er saß aufrecht da, hatte die Handflächen gegeneinander gedrückt und verzog nicht eine Miene. Nicht einmal, als der verzerrte Knall des Gewehrschusses durch das House of Pain hallte.
    »Wollen Sie es noch einmal sehen?«, fragte Harry, als sie zu den letzten Bildern kamen und der Exekutor über die Industrigata verschwand.
    »Nicht nötig«, sagte Raskol.
    »Und?«, fragte Harry und versuchte, nicht zu angespannt zu wirken.
    »Haben Sie noch mehr?«
    Für Harrys Ohren klang das nicht gerade ermutigend.
    »Nun, ich habe noch ein Video aus dem 7-Eleven schräg gegenüber, wo er vor dem Raub alles ausgekundschaftet hat.«
    »Lassen Sie sehen.«
    Harry ließ es zweimal laufen. »Nun?«, wiederholte er, als der Schneesturm wieder vor ihnen über den Bildschirm raste.
    »Ich weiß ja, dass er mehrere Überfälle begangen hat und dass wir uns die auch noch angucken könnten«, sagte Raskol, »aber das wäre rausgeschmissene Zeit.«
    »Hatten Sie nicht gesagt, Zeit sei das Einzige, wovon Sie genug hätten?«
    »Eine offensichtliche Lüge«, sagte er, stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. »Zeit ist das Einzige, was für mich wichtig ist. Sie können uns aneinander ketten, Spiuni.«
    Harry fluchte innerlich. Er schloss Raskols Handschelle und dann gingen sie seitlich zwischen Tisch und Wand zur Tür. Harry fasste an die Klinke.
    »Die meisten Bankräuber sind einfache Seelen«, sagte Raskol. »Deshalb sind sie Bankräuber geworden.«
    Harry blieb stehen.
    »Einer der berühmtesten Bankräuber war Willie Sutton«, sagte Raskol. »Als er gefasst und vor Gericht gestellt wurde, fragte ihn der Richter, warum er Banken überfiel. Sutton antwortete: › Because that's where the money is.‹ Das ist ein geflügeltes Wort in der amerikanischen Umgangssprache geworden und soll uns wohl zeigen, wie genial direkt und einfach die Dinge sein können. Für mich stehen sie nur für einen Idioten, der gefasst wurde. Die guten Bankräuber sind weder berühmt, noch werden sie zitiert. Von denen hat niemand gehört. Weil sie niemals gefasst worden sind. Weil sie nicht direkt und einfach sind. Der, nach dem sie suchen, ist ein solcher.«
    Harry wartete.
    »Grette«, sagte Raskol.
     
    »Grette?« Beate starrte Harry derart an, dass ihr beinahe die Augen aus ihrem kleinen Kopf zu quellen schienen. »Grette?« Die Pulsader an ihrem Hals trat deutlich zum Vorschein. »Grette hat ein Alibi! Trond

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