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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Grette ist ein Buchhalter mit schlechten Nerven, kein Bankräuber! Trond Grette ist ein … ein …«
    »Entschuldigung«, sagte Harry. »Ich weiß.« Er hatte ihre Bürotür hinter sich geschlossen und war tief in dem Stuhl vor dem Schreibtisch versunken. »Aber wir reden hier nicht von Trond Grette.«
    Beates Mund klappte mit einem hörbaren, nassen Klappen zusammen.
    »Hast du schon mal von Lev Grette gehört?«, fragte Harry. »Raskol sagte, die ersten dreißig Sekunden hätten schon genügt, doch er habe auch noch den Rest sehen wollen, um sicher zu sein. Weil Lev Grette seit vielen Jahren nicht mehr gesehen worden ist. Von niemandem. Das Letzte, was Raskol gehört hatte, war, dass Grette angeblich irgendwo im Ausland ist.«
    »Lev Grette«, sagte Beate und ihr Blick entfernte sich. »Das war so ein Wonderboy, ich erinnere mich, dass Vater von ihm erzählt hat. Ich habe Akten über Überfälle gelesen, an denen er im Alter von gerade mal sechzehn Jahren beteiligt gewesen sein soll. Er wurde zur Legende, weil die Polizei ihn nie geschnappt hat, und als er endgültig verschwand, hatten wir nicht einmal seine Fingerabdrücke.« Sie sah Harry an. »Dass ich so dumm sein konnte. Der gleiche Körperbau. Die ähnlichen Gesichtszüge. Das ist Trond Grettes Bruder, nicht wahr?«
    Harry nickte.
    Beate runzelte die Stirn. »Aber das heißt ja, dass Lev Grette seine eigene Schwägerin erschossen hat.«
    »Jetzt werden auch ein paar andere Dinge klar, oder?«
    Sie nickte langsam. »Die zwanzig Zentimeter zwischen den Gesichtern. Sie kannten sich.«
    »Und als Lev Grette erkannte, dass Stine wusste, wer er war …«
    »Natürlich«, sagte Beate. »Sie war eine Zeugin, er konnte nicht das Risiko eingehen, von ihr entlarvt zu werden.«
    Harry stand auf: »Ich bitte Halvorsen, uns etwas richtig Starkes zu brauen. Jetzt müssen wir Videos gucken.«
    »Ich möchte wetten, dass Lev Grette nicht einmal wusste, dass Stine Grette da arbeitete«, sagte Harry, auf die Leinwand blickend. »Das Interessante ist, dass er sie vermutlich wiedererkannte und trotzdem als Geisel nahm. Er musste wissen, dass sie ihn aus der Nähe erkennen würde, oder an der Stimme.«
    Beate schüttelte ratlos den Kopf, während sie die Bilder aus der Bank verfolgte. Noch war alles ruhig und August Schultz hatte seinen Ausflug auf schlurfenden Sohlen bereits zur Hälfte hinter sich. »Also, warum hat er es dann gemacht?«
    »Er ist professionell. Überlässt nichts dem Zufall. Stine Grette war von diesem Moment an zum Tode verurteilt.« Harry hielt das Bild an, als der Täter die Bank betrat und sich umsah. »Als Lev Grette sie sah und realisierte, dass man durch sie auf seine Spur kommen könnte, wusste er, dass sie sterben musste. Dann konnte er sie auch gleich als Geisel nehmen.«
    »Eiskalt.«
    »Minus vierzig. Das Einzige, was ich nicht ganz verstehe, ist, dass er einen Mord auf sich nimmt, um nicht erkannt zu werden, wenn er doch bereits wegen anderer Überfälle gesucht wird.«
     
    Weber kam mit einem Tablett ins Wohnzimmer.
    »Ja, aber Lev Grette wird nicht wegen anderer Überfälle gesucht«, sagte er und balancierte das Tablett auf den Sofatisch hinunter. Das Wohnzimmer sah aus, als sei es irgendwann einmal in den Fünfzigern eingerichtet und seither nicht mehr von Menschenhand berührt worden. Die Plüschsessel, das Piano und die verstaubten Pflanzen auf der Fensterbank strahlten eine seltsame Stille aus, und selbst das Pendel der Standuhr in der Ecke schlug lautlos. Die weißhaarige Frau mit den strahlenden Augen hinter Glas und Rahmen über dem Kamin lachte geräuschlos, und es schien fast so, als ob die Stille, die hereingebrochen war, als Weber vor acht Jahren Witwer geworden war, alles um ihn herum zum Verstummen gebracht hätte, ja dass es sogar unmöglich war, diesem Piano einen einzigen Ton zu entlocken. Die Wohnung lag in der ersten Etage eines alten Mietshauses in Tøyen, doch das Brausen der Autos draußen unterstrich bloß die Stille im Innern. Weber setzte sich in einen der Ohrensessel, so vorsichtig, als handele es sich um ein Museumsstück.
    »Wir haben nie auch nur einen konkreten Beweis dafür gefunden, dass Lev Grette an einem der Überfälle beteiligt war. Keine Täterbeschreibung von Zeugen, keine Aussagen von Spitzeln, keine Fingerabdrücke oder andere kriminaltechnische Beweise. Die Berichte bestätigen bloß, dass er verdächtigt wurde.«
    »Hm. Solange Stine Grette ihn also nicht verraten konnte, war er damit ein Mann mit

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