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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Soldaten, die Zeugen des Geschehens geworden waren und deren verwirrte Blicke nun auf ihn gerichtet waren.
    »Unser General war ein verräterischer Feigling!«, verkündete er gellend. »Er wollte vor einer Handvoll Nigger zurückweichen, unsere Freunde im Stich lassen und euch in Schande stürzen! Seid ihr Verräter? Habt ihr Angst vor Niggern?«
    Auf seine Worte folgte ein Moment angespannten Schweigens.
    Dann ertönte von ganz hinten ein einzelnes entschlossenes
Nein!
Andere fielen ein. Im nächsten Augenblick skandierte das ganze Regiment im Takt:
Nein! Nein! Nein!
    »Ich habe jetzt das Kommando!«, rief Beaulieu aus. »Kolonne bilden, Zehnerreihe! Wir greifen an und schlachten die Hurensöhne ab!«
    Unter frenetischem Jubel formierten sich die Konföderierten neu und rückten abermals auf die Brücke vor. Wieder fuhr ein Hagel von Geschossen in ihre Linien. Männer sackten zusammen, ringsum prallten Kugeln von den Eisenträgern ab und flogen unberechenbar umher. Dennoch gelangten sie bis zur Brückenmitte. Sie machten halt, die Soldaten der vordersten Reihe legten die Gewehre an. Bevor sie feuern konnten, fielen vier von ihnen. Andere rückten sofort nach, um die aufgerissenen Lücken zu füllen. Als sie endlich ihre Salve abgaben, war sie wirkungslos. Die Geschosse drangen in das Holz der Verschanzungen, ohne auch nur einen Gegner zu treffen. Die Südstaatler versuchten nicht einmal, die Ladestöcke aus den Gewehrschäften zu ziehen, um nachzuladen. Überstürzt zogen sie sich von der Brücke, auf der sie dem preußischen Feuer schutzlos ausgesetzt waren, wieder zurück und hinterließen siebzehn weitere Tote.
    Beaulieu hatte das Desaster aus der Entfernung beobachtet und tobte. Er würde noch mal angreifen, immer wieder. Er würde die Preußen vernichten. Er würde Pfeyfer vernichten.
     
    * * *
     
    Kronprinz Friedrich hatte darauf bestanden, Amalie von Rheine und Rebekka Heinrich bei sich im Palais zu behalten, bis völlig sicher war, dass sich nirgendwo in der Stadt noch versprengte NeitherNors verborgen hielten und ihnen zur Gefahr werden konnten. Nun erst, über eine Stunde nach Ende der Kämpfe, glaubte er verantworten zu können, dass sie geschützt von einer Eskorte zur Schule zurückkehrten.
    Gerade sprach er mit ihnen und versicherte sie seiner aufrichtigen Bewunderung, als Moltke hinzukam, in der Hand ein Telegramm.
    »Diese an Eure Hoheit gerichtete Nachricht traf soeben aus WhiteHall ein«, erklärte der General. »Ein Offizier teilt mit, er habe Kenntnis von den Plänen der Aufständischen erlangt und wolle den anrückenden Feind mit einer Kompanie Jäger bei der Combahi-Brücke so lange wie möglich aufhalten. Das meldet ein gewisser Major Pfeyfer.«
    Die beiden Frauen kreischten entsetzt auf.
    Rebekka stürzte auf den überrascht zusammenzuckenden Kronprinzen zu, fasste ihn mit beiden Händen am Arm und beschwor ihn inständig, Pfeyfer Hilfe zu senden.
    Prinz Friedrich, obgleich für einen Moment überwältigt von der Reaktion der Direktorin, begriff augenblicklich. Der Major musste ihr viel bedeuten, unfassbar viel. Und es lag an ihm, ob Pfeyfer zu ihr zurückkehrte.
    »Ist das machbar, Moltke? Können wir etwas unternehmen? Schnell!«, drängte er den General.
    »Theoretisch schon, Eure Hoheit«, meinte Moltke nach kurzem Kalkulieren, zeigte sich jedoch skeptisch. »Man könnte die Oranienburger Dragoner telegraphisch anweisen, sich umgehend per Eisenbahn von Norden her nach Jamasse zu begeben und zugleich die 1. Füsiliere von hier mit dem Zug dorthin bringen. Aber diese überstürzten Maßnahmen würden einen erheblichen zusätzlichen Aufwand darstellen, denen kein erkennbarer Nutzen gegenüberstünde.«
    »Ist die Rettung der Menschen da verdammt noch mal kein Nutzen, Sie elender seelenloser Militärschädel?«, schrie Rebekka ihm ins Gesicht.
     
    * * *
     
    Acht Angriffe hatten die Karolinischen Jäger schon zurückgeschlagen. Die Brücke war übersät mit Leichen und sich in Schmerzen krümmenden, schreienden Verwundeten, denen niemand zu Hilfe kam. Wie ein grotesker Teppich aus menschlichen Leibern bedeckten sie Bahngleis und Straße. Doch trotz dieses Grauens ließen die Südstaatler keine Absicht erkennen, den Kampf aufzugeben.
    Hauptmann Junger-Fuchs nutzte die Gefechtspause, um in tief geduckter Haltung zu Pfeyfer zu eilen. Besorgt meldete er, dass die Munition knapp zu werden begann.
    »Wenn die noch fünfmal, sechsmal attackieren, stehen wir nackt da«, schätzte er. »Gebe Gott,

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