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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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die Schwellen zersplittern. Gut fünfzig Schritt trieben die Geschwindigkeit und die vorwärtsdrängende Masse sie noch weiter, dann kam sie ruppig zum Stehen. Die Puffer der Waggons krachten metallisch aufeinander.
    Für Augenblicke herrschte Stille. Nur das Zischen und Keuchen der verkrüppelten Lokomotive war noch zu vernehmen. Lokführer und Heizer, durch die Erschütterung niedergeschleudert, rappelten sich auf und stellten fest, dass ihr Bewacher sich den Schädel an einer Messingarmatur eingeschlagen hatte. Kurzentschlossen sprangen sie von der Maschine, liefen, was sie konnten, und waren schon zwischen den nächsten Büschen verschwunden, als die ersten Waggontüren aufgestoßen wurden. Die ausnahmslos durch Prellungen oder andere Blessuren angeschlagenen Soldaten quollen desorientiert aus den Güterwagen.
    Charles Beaulieu , gekleidet in einen an den Ärmeln überreich mit goldenen Ranken bestickten grauen Offiziersrock, stürmte aufgebracht zwischen den umhertorkelnden Männern zur Spitze des Zuges. Als er die entgleiste Lokomotive sah und die tote Wache entdeckte, brach er in wutentbrannte Flüche aus.
    »Das haben die zwei Nigger getan!«, brüllte er dem hinzukommenden General Sibley entgegen.
    Der General, auf dessen Stirn eine schillernde Beule prangte, besah sich mit grimmig verkniffener Miene das Szenario und widersprach: »Das können sie unmöglich herbeigeführt haben. Ein gewöhnlicher Unfall und die beiden haben die Gelegenheit zur Flucht genutzt. Viel wichtiger ist die Frage, was zur Hölle wir jetzt tun sollen.«
    Beaulieu meinte, man müsse die Maschine umgehend wieder auf die Schienen bringen, doch Sibley quittierte diesen Vorschlag mit einem brüsken Schnauben: »Unfug. Dazu braucht man einen Kran oder eine zweite Lokomotive. Und einen Bautrupp, der das Gleis instandsetzt. Nein, wir müssen zu Fuß weiter.«
    »Zu Fuß? Sir, das ist nicht Ihr Ernst!«
    »Glauben Sie etwa, ich mache Scherze, Sie Amateur?«, fuhr der General ihn so unwirsch an, dass Beaulieu am liebsten den Säbel gezogen und Genugtuung für diese Kränkung gefordert hätte. »Natürlich zu Fuß. Das dort muss die Brücke über den Combahee River sein. Bis Charleston sind es demnach noch fünfzig Meilen, auf guter Straße. In New Mexico hat meine Armee in Eilmärschen regelmäßig ähnliche Distanzen zurückgelegt, und das in der Wüste.«
    Beaulieu war versucht, den General daran zu erinnern, dass sein Feldzug in New Mexico in einem Debakel geendet hatte. Er unterdrückte die entsprechende Bemerkung, die ihm fast unwiderstehlich auf der Zunge lag, und entgegnete stattdessen: »Mit allem Respekt, Sir! Unsere Freunde in Charleston verlassen sich darauf, dass wir in anderthalb Stunden bei ihnen sind.«
    »Sie werden etwas länger durchhalten müssen«, beschied Sibley ihm ungerührt. »Oder haben Sie einen besseren Vorschlag, Colonel? Würde mich wundern. Lassen Sie das Regiment marschbereit machen und überlassen Sie im Übrigen militärische Entscheidungen denen, die ihre Offizierspatente nicht als politische Gefälligkeit geschenkt erhielten.«
    Diese gezielte Beleidigung versetzte Charles Beaulieu in Weißglut. Barsch wandte er sich ab und stampfte mit geballten Fäusten davon, um den Befehl auszuführen. Doch er schwor sich, Sibley für seine Arroganz teuer bezahlen zu lassen, sobald der Sieg sicher war.
     
    Pfeyfer verfolgte, wie sich die konföderierten Soldaten auf der Chaussee formierten. Alles nahm den vorhergesehenen Lauf. Bis zu diesem Punkt wenigstens. Die Kolonne setzte sich in Marsch. An der Spitze schritten zwei Fahnenträger, einer mit der Kriegsflagge der Konföderierten Staaten, der andere mit dem alten Banner der kurzlebigen Republik South Carolina, einer weißen Mondsichel auf blauem Tuch. Ihnen folgte in Zehnerreihen das Regiment, nach Kompanien gegliedert. Die Südstaatler begannen zu singen und schmetterten voller Elan
The Bonnie Blue Flag.
    Vor Aufregung ging Pfeyfers Atem flach und schnell. Er wischte die schweißnassen Hände an der Hose ab und hielt den Blick angespannt auf die herannahenden Konföderierten gerichtet. Sie hatten schon die Brücke erreicht. Gleich war es so weit.
    Dann erkannte er Charles Beaulieu , ganz vorne in der Kolonne, an der Seite des Generals.
Herrgott, bitte sorge dafür, dass ihn keine Kugel trifft. Ich brauche den Hundsfott lebend!
    Sie waren nun auf der Brücke. Ohne Tritt, um das Bauwerk nicht in gefährliche Schwingungen zu versetzen, überquerten sie den Fluss. Nur

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