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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durchs Fenster geworfen. Aber so …« Er rutschte im Sessel tiefer und wirkte völlig erschlafft. Losskow stellte ihm ein Glas Whisky hin; er goß es hinunter, man sah ihn gar nicht schlucken. »Ich komme aus dem Krankenhaus. Habe bis jetzt an ihrem Bett gesessen. Seit Weihnachten liegt sie fest. Apathisch, blaß, fertig. Der Arzt sagt, es sei keine Hoffnung mehr. Der Körper ist von den Tabletten verseucht, die Leber ist kaputt, die Hirnzellen sind zerstört. Sie ist stumpf geworden. Und dabei hat sie mir geschworen, nie mehr Tabletten zu nehmen! Nie mehr! Und kaum war ich weg, hat sie das Zeug gleich kartonweise geschluckt!« Er rauchte hastig. Losskow schwieg. Es war erschütternd anzusehen, wie Trosky, dieser Mordskerl, sich durch solch ein Erlebnis aus der Bahn stoßen ließ. »Sie hat mich erkannt«, sagte er mit schwerer Zunge. »Stell dir vor, sie hat mich erkannt und gelächelt. Und was habe ich getan? Ich habe gesagt: ›Gut siehst du aus, Kleines! Der Arzt meint, in zwei Wochen hast du es überstanden!‹ – Und dabei habe ich nicht gelogen. Vielleicht zwei Wochen noch, hat der Arzt gesagt. Sie wird verdämmern. Und dann habe ich ihr von Prag erzählt, von den Hirschen in der Hohen Tatra. Ich habe ihr die Märchen der Goldmacher erzählt und von den Holzschnitzern im Erzgebirge. Sie war glücklich wie ein kleines Kind. ›Das möchte ich mal sehen‹, hat sie gesagt. Und ich habe geantwortet: ›Aber ja doch, Kleines. Ich nehme dich mit!‹ Dabei wird sie schon tot sein, wenn wir ablegen. Steh nicht herum, Peer! Gib mir was zu saufen!«
    In dieser Nacht blieb er bei Losskow, fuhr nicht weiter an die Unterelbe in die gemeinsame Wohnung, sondern lag auf der Couch, mit dem Kopf da, wo sonst Mr. Plump sich zu betten pflegte.
    Mr. Plump war mit Helena in die Gemeinschaftswohnung gezogen. Er war in einen Gewissenskonflikt geraten, denn er wollte weder Peter noch Helena allein lassen. Unruhig war er herumgelaufen, bis Losskow gesagt hatte: »Nun geh' mit Helena, Plump! Du bist ein Mann! Du mußt sie beschützen! Ich kann auf mich allein aufpassen!«
    Das schien Mr. Plump einzuleuchten. Aber als er mit Helena wegging, waren seine Glotzaugen so voller Trauer, daß Losskow sich immer wieder sagen mußte: Er ist nicht aus der Welt, ich sehe ihn ja heute abend wieder!
    Und in zwanzig Tagen segeln wir hinaus in die Ferne!
    Die Bootstaufe fand unter großer Beteiligung statt. Nicht nur die Spender-Firmen hatten ihre Repräsentanten geschickt, auch Funk und Fernsehen hielten das Ereignis fest, und das Team einer Industriefilm-Produktion drehte einen Werbefilm für die Waschmittelfirma. Zwar hieß das Boot nicht Seelord, aber es wehten doch am Steg vor hohen Masten die Fahnen des Konzerns. Es war eindeutig, daß das neue Waschmittel Seelord etwas mit der Weltumseglung zu tun hatte. Eine Keksfabrik ließ eine ganze Schulklasse an ihren Waffeln knabbern, und die Kekspakete wie bunte Wimpel schwenken. Sogar ein Vertreter der Stadt Bremerhaven war gekommen, hielt eine kurze Rede und wünschte viel Glück. Das wunderte Losskow am meisten. Während durch Randlers Rührigkeit die Bevölkerung auf dem laufenden gehalten und das Unternehmen Feuerland bereits jetzt als sportliche Großtat gefeiert wurde, nahmen die Städte Hamburg – wo das Unternehmen vorbereitet wurde – und Bremerhaven – von wo die große Fahrt starten sollte – kaum Notiz davon. Das lag daran, daß man vom Behördenstandpunkt aus die Sache nicht einzuordnen wußte. Es war kein ›kulturelles Ereignis‹, es war auch kein sportlicher Wettkampf, und ein offizieller Forschungsauftrag steckte auch nicht dahinter. Es war die mit großer Publizität bedachte Wahnidee eines einzelnen. Für dergleichen ist aber kein Stadtrat oder Dezernent zuständig. Daß dennoch ein Vertreter der Stadt Bremerhaven anwesend war, erklärte sich daraus, daß seine Partei bei der bevorstehenden Wahl einiges zu verlieren hatte, weshalb es geboten schien, sich volkstümlich zu geben.
    Drei Tage lang hatten Losskow und Trosky gebraucht, um das Boot startklar zu machen. Sie hatten alles Material untergebracht, den Stauraum bis zum letzten Winkel ausgenutzt, die Gewichte ausbalanciert, die Takelung nebst allen Seilen und Haken kontrolliert und vor allem die Rettungsinsel noch einmal überprüft. Die Notverpflegung war neu zusammengestellt worden: weniger vitaminisierte Fruchtstangen, dafür mehr Trockengemüse und Trockenfleisch, das leicht war, wenig Stauraum wegnahm und vor dem

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