Die Fahrt nach Feuerland
einfallsreich.
»Ob wir das auch noch sagen, wenn wir das Unternehmen hinter uns haben?«
»Warum nicht?« Er stützte sich auf die Ellbogen und sah sie an. Ihr weißhäutiger Körper mit dem weichen Haarflaum besaß eine einzigartige Faszination; er erregte und beruhigte zugleich. Er verlockte zum Besitz und schenkte im gleichen Augenblick das Gefühl der Geborgenheit. »Sollen wir vor der Abfahrt noch heiraten?«
»Auf keinen Fall! Es kann sein, daß wir uns am Ende der Fahrt hassen und glücklich wären, wenn wir den Mut besäßen, den anderen umzubringen.«
»Himmel, was redest du da, Helena!«
»Wir lieben uns als normale Menschen, Peer!« Sie drehte sich auf die Seite und legte den Arm um seine Hüfte. »Wenn ich morgen wieder in eine Praxis als Ärztin gehen könnte und du eine Stelle als Nautikingenieur hättest, würde ich sagen: Warum nicht? Laß uns sofort heiraten! Jeder Tag ohne dich ist verloren! – Aber bei uns ist ja alles ganz anders. Im Februar segeln wir hinaus, und dann beginnt ein Abenteuer, das jeden von uns verwandeln wird. Schüttle nicht den Kopf, es wird so sein! Wir werden unvorstellbare Abgründe in uns entdecken. Wir werden seelisch so nackt sein, daß uns auch die Vernunft erfrieren wird. Es ist gut, wenn man sich vorher darauf einstellt. Gut, wenn man weiß, was kommen kann – nicht muß!« Sie küßte seinen Bauch und streichelte die Innenseiten seiner Schenkel. Losskow schloß die Augen, legte sich zurück und genoß das heiße Prickeln, das bis hinunter in die Fußspitzen zog. »Wissen wir, was von uns noch übrigbleibt? Ob du noch du sein wirst – ob ich noch ich? Ich bin nicht so vermessen, zu sagen: Ich bleibe, was ich bin! Stell dir vor, es gibt die große Verwandlung, und du bist verheiratet mit mir und mußt dich nach der Heimkehr von der großen Reise fragen: Wie soll ich nun mit diesem Miststück leben? Hätt' ich sie nur den Haien zum Fraß vorgeworfen!«
»Sei still und komm her!« sagte er und griff in ihre Haare. »Du redest einen verdammten Unsinn! Ich werde dich immer lieben – und wenn wir zurück sind, heiraten wir! Das ist endgültig! Einverstanden?«
»Einverstanden.« Sie legte sich eng an ihn und schob ein Bein über seinen Leib. »Es kann ja auch sein, daß ich dich vor Feuerland zum Teufel wünsche!«
»Hier ist nicht Feuerland, hier ist mein Bett!« sagte Losskow und zog sie über sich.
Zwei Tage vor Weihnachten trat Mister Plump in ihr Leben.
Helena hatte für den Jul-Kuchen alles eingekauft und parkte gerade Losskows kleinen Wagen vor der Tür, als sie Mr. Plump in die Augen sah. Es war eine schicksalhafte Begegnung. Sein Blick faszinierte sie, seine äußere Erscheinung war umwerfend, sie mußte stehenbleiben, ihn ansehen, ihr Herz begann zu klopfen, und als er, Schnee im Haar, mit seinen dunklen Augen bettelte, konnte sie nicht anders, sie seufzte und sagte: »Da kann man nichts machen. Komm mit!« Und Mr. Plump folgte ihr, stieg die Treppen hinter ihr herauf und blieb an ihrer Seite, als sie Losskows Klingel drückte.
»Nun können wir backen!« sagte sie, als Losskow öffnete. »Ich mache uns auch noch eine Platte Spritzgebäck und Spekulatius! Und Zimtsterne. Magst du Zimtsterne, Liebster?«
»Ich kann mich daran überfressen!« Losskow zeigte auf Mr. Plump. »Aber wer ist denn das?«
»Er wollte mit.«
»Und da sagst du einfach ja?«
Mr. Plump schien keine Debatten um seine Person zu lieben. Er trottete an Losskow vorbei in die Wohnung, sah sich kritisch um und setzte sich auf die Couch.
»Na bitte!« sagte Helena und schloß die Tür. »Nun mach ihm einmal klar, daß er am falschen Platz ist!«
»Sofort! Ich lasse mich doch nicht überrumpeln!« Losskow trat ins Wohnzimmer, setzte sich Mr. Plump gegenüber in einen Sessel und sah ihn böse an. Mr. Plump ignorierte solche unartigen Blicke, dehnte sich wohlig auf der Couch und harrte der Dinge, die da kommen mußten. Sein Blick wanderte durch das Zimmer und verhielt an der Küchentür. Dann hob er ein wenig den Kopf und blähte die Nase. Am Küchentisch packte Helena ein Wurstpaket aus.
»Was soll das?« fragte Losskow weniger scharf, als er es eigentlich wollte. »Man kann doch nicht einfach in eine fremde Wohnung kommen und sich auf die Couch lümmeln! Wir stehen jetzt auf und gehen wieder vor die Tür!«
Mr. Plump war es lästig, so etwas anhören zu müssen. Er warf Losskow einen verächtlichen Blick zu, verließ die Couch und stolzierte gemessen zur Küche. Dort blieb er auf
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