Die Fahrt nach Feuerland
Gewässer. Vor der Biskaya habe ich Bammel, da ist im Februar immer was los. Dann wird es ruhiger, nach Madeira und Teneriffa zu. Wenn wir Glück haben!« Er küßte sie und half ihr, den Tisch wegzuklappen und die beiden Bänke zu einer Liege zusammenzuschieben.
Trosky war wach, als Losskow in den Heckraum kroch. Die niedrige Koje stank nach Whisky. Trosky hatte die kleine Batterielampe angeknipst und stierte Losskow entgegen. Dann rülpste er laut und machte Platz, damit Losskow neben ihn kriechen konnte.
»Das ist der letzte Whisky, den du nachts säufst!« sagte Losskow. »Ich will nicht im Schlaf von deinem Gestank vergiftet werden!«
»Dann leg dich gefälligst zu Blondie!« brummte Trosky. »Da ist noch Platz. Und dankbar wird sie dir auch sein!«
»Wir wollen gleich eins von Anfang an feststellen«, sagte Losskow hart. »Der Boß bin ich! Ich habe euch aus freien Stücken mitgenommen, und ebenso einfach kann ich euch wieder an Land setzen!«
»Theoretisch!« knurrte Trosky. »In der Praxis sieht es so aus, daß sich wohl keiner von uns freiwillig rausschmeißen läßt! Mir gefällt dieser Törn rund um die Welt!«
Losskow schwieg. Aber er dachte: Ich hätte auf Helena hören sollen. Sie mißtraut Trosky. Er ist unberechenbar. Was nützen mir seine Drahtseilmuskeln, wenn er mir an Bord Terror macht!
Sie waren im Iberischen Becken, zwischen der Küste Portugals und den Azoren, in eine Flaute gekommen. Die gefürchtete Biskaya hatte sie mit ihrem Februarwetter empfangen: drehende Winde, Wellen von allen Seiten, ein von Wolkenfetzen zerrissener Himmel, Kälte und Regen. Ein Sauwetter.
Zum erstenmal mußten Helena und Lucrezia zeigen, daß sie sicher auf Deck stehen konnten. Im gelben Ölzeug turnten sie herum, refften die Segel, ließen nur das Sturmfock stehen. Und dann hockten sie neben Losskow, der am Ruder von Brechern überschüttet wurde und alle Kraft aufwandte, um das Boot richtig im Wind zu halten.
Trosky löste ihn später ab und schrie gegen das Meer an: »Geht runter! Ich mach' das allein! Zieht euch um! Ich habe noch nie nasse Katzen leiden mögen!« Er lachte, schluckte Wasser, als ein neuer Brecher über ihn niederbrach, hustete, fluchte und prustete, aber nicht eine Sekunde ließ er das Steuer los.
»Bei so einer See ist er Gold wert!« sagte Lucrezia. Sie zog sich aus, frottierte sich ab und setzte sich nackt an den Tisch. Das Boot wurde hin und her geworfen, man mußte sich am Tisch festklammern, um nicht wegzurutschen. »Ich werde aus Trosky nicht klug.«
Man war nun schon zwei Wochen unterwegs, hatte den Ärmelkanal durchfahren, war um die Normandie gesegelt, wo nur wenig Wind sie vorantrieb, und in der Biskaya hatten sie den ersten Sturm zu bestehen. An der langen spanischen Küste bis zum Ende von Galicien war das Meer noch bewegt, aber es wurde spürbar wärmer. Dann kam man in den weiten Atlantik hinein, der Himmel wurde blau, das Meer sah aus wie auf einer bunten Reklamepostkarte. Losskow hatte mit seinem Kurzwellensender den Seewetterbericht gehört und die Stirn in Falten gezogen.
»Von den Azoren kommt etwas herauf!« hatte er gesagt. »Hätte mich auch gewundert, wenn das alles so glatt ginge! Wenn wir Teneriffa erreicht haben, spendiere ich eine Champagner-Party, die haben wir dann nötig! Denn dann habt ihr eure Gesellenprüfung bestanden.« Aber daraus wurde nichts. Das Azorenwetter zog weiter nördlich ab, an seiner südlichen Flanke entstand dadurch naturgemäß eine Art Vakuum, also eine Flaute. Der Wind war nicht einmal spürbar, kaum daß er Lucrezias feine Haarspitzen bewegte. Die He lu lag träge im sattblauen Meer, man hatte alle Segel gesetzt, die man überhaupt hochziehen konnte, sogar den riesigen Spinnaker mit seinen 50 Quadratmetern. Die Wäsche – wie Trosky die Segel nannte – hing schlaff in den Seilen, das Boot dümpelte dahin.
Lucrezia lag auf dem Brückendeck und sonnte sich. Natürlich trug sie nichts am Körper, und wer am Ruder stand und in Fahrtrichtung blickte, mußte gewissermaßen als Ziellinie über ihre Beine, ihren Leib, ihre Brüste und ihren Kopf hinweg den Horizont anpeilen.
»Muß das sein?« knurrte Trosky, als er Losskow am Ruder ablöste. »Stört dich das nicht?«
»Nein. Es hätte auch keinen Zweck, es ihr zu verbieten.«
»Vielleicht kann man das ändern, indem man der freundlichen Aufforderung Folge leistet?«
»Jan!«
»Ich weiß, ich weiß: nicht an Bord! Aber eines Tages wird sich's nicht mehr verhindern lassen, Peer!
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