Die Fahrt nach Feuerland
spielte ›Muß i denn …‹ Mit langsamer Fahrt, die Segel nur halb im schwachen Wind, glitt die Helu in die Wesermündung hinaus, Richtung freies Meer. Ein Fernseh-Kameramann, der die Kamera mit Schulterstativ herumschleppte, sah Randler nachdenklich an.
»Mit dieser Nußschale wollen die über alle Meere?«
»Das ist ja der Knüller!« sagte Randler zufrieden.
»So kann man's auch nennen!« Der Fernsehmann schwenkte die Kamera von der Schulter. »Den Film muß man gut aufheben; den könnten wir noch für den Nachruf gebrauchen.«
Es erwies sich bereits beim Hinaussegeln, daß Mr. Plump der geborene Bordhund war. Er vermied klug jede Stelle, wo man abrutschen konnte, setzte sich entweder neben Losskow in die Plicht oder hockte unten in der Kajüte, Salon genannt, auf der brettharten Polsterbank. Trosky ging er möglichst aus dem Wege, mit sicherem Instinkt für Gefahr. Wenn er ihm begegnete, schielte er ihn kritisch an und zog die Lefzen hoch.
»Er weiß, was er von mir zu halten hat!« sagte Trosky zufrieden. »Wir zwei mögen uns auf unsere Art! Und jetzt wollen wir mal in die Hand spucken und vor dem Wind fliegen!«
Er setzte volle Segel, die Helu schien sich aus dem Wasser zu heben und schoß wie schwerelos dahin.
»Ein prächtiges Boot!« schrie Trosky zu Losskow hinüber. »Gefällt mir immer besser! Wenn ein Orkan kommt, machen wir's wie die fliegenden Fische und überhüpfen die Wellen!«
Sie brauchten einen ganzen Tag, um aus dem Weserwasser und der Straße der Schiffahrtslinien herauszukommen und parallel zur Küste in Richtung Ärmelkanal zu segeln. Die Ostfriesischen Inseln tauchten auf, danach die Kette der Westfriesischen Inseln. Ein niederländisches Minensuchschiff kam ihnen entgegen und blinkte ihnen Grüße zu, die Losskow mit einem Handscheinwerfer und einer Kunststoffklappe erwiderte. Dann wurde es, auf der Höhe der Terschellinger Bank, dunkel. Helena warf den Treibanker aus. Durch den Abgang zur Kajüte zog Bratenduft an Deck. Lucrezia hatte heute Küchendienst. Sie brachte Spaghetti mit Kalbsschnitzeln auf den Tisch. Die Zeit der Büchsen- und Trockenmahlzeiten würde erst auf dem Weg nach Südamerika beginnen, nach dem Verlassen der Kapverdischen Inseln, bis sie das nächste Land erreichen würden, die Insel São Paulo, eine Erhebung des Nordatlantischen Rückens. Wenn man sie erreichte …
»Ich fühle mich sauwohl!« sagte Trosky zufrieden. Er warf sogar Mr. Plump einen Bissen Schnitzel zu, worauf der Hund heftig zu husten begann, denn Trosky hatte Pfeffer daraufgestreut. Er lachte grölend, bis Helena, die Mr. Plump mit Wasser wieder zum Atmen brachte, mit spürbarer Kälte sagte: »Das nächstemal blase ich dir Pfeffer in die Augen!«
Schon der erste Abend klang böse aus. Trosky zog sich in seine Schlafkoje im Heck zurück, nahm eine Flasche Whisky mit und sah Losskow schief an. »Das kann lustig werden, bei so viel Humorlosigkeit!«
Es war eine kalte Nacht, Losskow stellte den kleinen Gasofen an und zeichnete auf der Seekarte noch die Route für morgen ein. Außerdem begann er mit der Führung des Bordbuches und schrieb den Tagesbericht:
›Erster Tag. Segelten vor dem Wind, der genau richtig stand, und machten hervorragende Fahrt. An Bord alles in Ordnung. Keine besonderen Vorkommnisse.‹
Mr. Plump saß neben ihm und leckte ihm den linken Arm. Dann verkroch er sich in der Vorderkoje.
Später kam Lucrezia von ihrem Lager im Bug und setzte sich ihm gegenüber. Sie trug einen Fummel von Nachthemdchen, durchsichtiges Oberteil und enges, kurzes Höschen. Sie zog die Beine an und verstand nicht, daß Helena noch voll angezogen im Salon saß und las.
»Ich kann nicht schlafen«, maulte sie. »Mr. Plump ist daran schuld. Ich kann Schnarchen nicht ausstehen, da gehe ich die Wände hoch! Und Mr. Plump schnarcht so fürchterlich, daß ich das Schütteln bekomme.«
»Es ist gut«, sagte Helena. »Ich ziehe mit Mr. Plump aus! Wir schlafen hier im Salon. Du kannst die Bugkoje ganz für dich haben!«
»Danke! Dann hol das Mistvieh heraus!«
Sie gähnte, dehnte sich, reckte Losskow ihre spitzen Brüste entgegen und ging wie eine Schlafwandlerin wieder hinaus.
Das Boot schaukelte einschläfernd in einer schwachen Dünung. Auch Helena verbarg nur mühsam ein Gähnen.
»Ich gehe schon«, sagte Losskow und klappte seine Bücher zu. »Um sechs Uhr ist Wecken!«
»Da ist es ja noch dunkel.«
»Aber wir müssen unter die Segel! Ich will so schnell wie möglich in südlichere
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