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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eigentlich zum letztenmal Funkkontakt gehabt?« Trosky starrte Losskow an, als habe er eine entsetzliche Entdeckung gemacht. »Mein Gott, das fällt mir erst jetzt auf. Weiß man denn überhaupt, wo wir sind?«
    »Nein. Seit Teneriffa schweigen wir.«
    »Seit Teneriffa …?« Trosky schluckte an einem dicken Kloß. »Bist du total verrückt?«
    »Der Funkkontakt ist nur für den Notfall, und den hatten wir noch nicht! Die Wikinger hatten auch keinen Funk.«
    »O Gott! Du Riesenarschloch!« Trosky duckte sich tief. Ein neuer Brecher hämmerte auf sie ein. »Dann sind wir doch für die gesamte Welt schon längst nicht mehr vorhanden! Peer, du lieber Himmel, begreifst du das: Wir sind seit Wochen verschollen! Tot! Vom Atlantik verschlungen! Es gibt uns nicht mehr!« In Troskys Augen erschien wieder das gefährliche Flackern. »Man hat uns längst gestrichen.«
    »In Ushuaia wartet Dieter Randler auf uns.«
    »Da kommen wir doch nie an!«
    »Wer sagt das?« Losskow zog die Ölplane enger um sich. »Nach diesem Sturm wird die Sonne wieder scheinen, das ist ein Naturgesetz, das auch am Kap Horn nicht gebrochen wird. Und sobald die Sonne scheint, wissen wir, wo wir sind. Und dann haben wir es geschafft. Wir sind nicht mehr weit entfernt, Jan. Wir müßten auf Kap Horn zutreiben.«
    »Er hat seit Teneriffa keinen Kontakt mehr«, sagte Trosky dumpf. »Wer soll das begreifen? Die Wikinger hatten auch keinen Funk. O lieber Himmel …«
    Er lachte hysterisch, stieß Losskow die Faust in den Magen, kroch unter der Plane heraus und hangelte sich an der Laufleine hinüber zum Niedergang. Dort hakte er sich aus und stürzte hinunter in die Kajüte.
    »Wißt ihr, daß wir ›Fliegende Holländer‹ geworden sind?« schrie er die entsetzten Mädchen an. »Jawohl! Geister sind wir! Peer hat uns wesenlos gemacht!«
    Er warf sein Ölzeug ab, setzte sich in die Funkecke und schaltete die Batterie ein. Die Kontrollzeiger pendelten. Das Gerät war voll funktionsfähig.
    »Jetzt werde ich Nachricht aus dem Jenseits geben. Ob's dem Wikinger da oben gefällt oder nicht!«
    Er stellte die Frequenz des Seenotrufes ein, aber niemand antwortete ihm. Immer und immer wieder rief er. Es war, als schlucke der Sturm jedes Signal.
    »Das habe ich nicht gewußt«, sagte Trosky. Er gab resigniert auf. »Ich habe die böse Ahnung, daß wir uns selbst umgebracht haben.«
    In der achten Nacht, genau in dieser Nacht, wo niemand mehr in der Plicht hockte, sondern das Ruder festgezurrt war, die Helu einfach auf der See tanzte und die Wellenberge mit ihr spielten, als alle in ihren Kojen lagen und schliefen, weil über Radio die Meldung gekommen war, daß der Orkan sich beruhige und das Zentrum sich ins Schottische Meer verlagere, in dieser Nacht, in der sie alle glauben durften, die größte Prüfung überstanden zu haben, erschütterte ein harter Stoß das Boot.
    Trosky, der neben Lucrezia lag und selig schlief, seine breite Hand auf ihrer Brust, schrak hoch und setzte sich. Lucrezia wälzte sich schlaftrunken auf die Seite.
    »Was ist?« murmelte sie. »Das kennst du doch …«
    »Das war kein Brecher!« Trosky war hellwach. Die Helu rollte unruhig, anders als sonst. Trosky hatte dafür ein feines Gefühl. »Das war ein Zusammenstoß!«
    »Wieder ein Hai?«
    »Du dusseliges Luder!« Er rutschte über Lucrezias Körper auf die Planken und griff nach seiner Hose. Im gleichen Moment hämmerten Fäuste an die Tür.
    »Raus!« schrie Losskow. »Wasser im Boot!«
    »Ich habe es geahnt«, sagte Trosky. »Mein Gott, ich hatte das im Gefühl.«
    Er riß die Tür auf und sah, wie Helena im Ölzeug zum Bugraum rannte. Das wasserdichte Schott war bereits zugeschlagen. Losskow stand auf der Treppe des Niedergangs und streifte einen Pullover über.
    »So eine Scheiße!« schrie er, als er Trosky sah.
    »Wo?«
    »Im Bugraum! Ich weiß noch nicht, was draußen los ist! Auf jeden Fall sind wir leck.«
    »Aber unsinkbar!« sagte Trosky mit bitterem Sarkasmus. »Kap Horn ist da anderer Ansicht.«
    Sie rannten an Deck und brauchten nicht lange zu rätseln. Das Boot trieb in einem weit auseinandergezogenen Treibeisfeld. Es sah geradezu lustig aus: die vielen, verschiedengestaltigen Eisplatten, tanzende Muster auf einer nachtschwarzen See, ein auseinandergerissenes Puzzle, nicht breiter als dreihundert, nicht länger als vierhundert Meter, ein winziger Fleck nur im riesigen Ozean, über tausend Meilen herangetrieben aus dem Südpolargebiet, gewissermaßen eine verirrte Eiskolonie.

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