Die Fahrt nach Feuerland
Nudelsuppe schlürfte, den Hai-Kadaver abzuschneiden und in den Ozean fallen zu lassen. Er war so verwest, daß er beim Aufprall auf den Wellen zerplatzte. Lucrezia würgte der Ekel, sie stellte sich in den Wind und atmete kräftig durch, bis sie die Übelkeit vertrieben hatte.
An Troskys Brüllen hatte man sich gewöhnt, aber was jetzt geschah, war neu. Trosky kam an Deck, satt und faul, und sein erster Blick galt dem Hai. Aber der Platz, an dem er gehangen hatte, war leer. Nur der Pfahl war noch da und ein paar durchtrennte Seile.
Troskys Aufschrei hatte nichts Menschliches mehr an sich. Sein Gesicht, seit drei Wochen unrasiert und von einem wilden Bart umwuchert, verzerrte sich schrecklich. Er stürzte an den Bug, starrte in das Meer und begann dann wie ein Wolf zu heulen.
Unter Deck verkroch sich Lucrezia in ihrer Koje und verriegelte von innen die Tür.
Losskow legte seine Pistole auf den Tisch und warf Helena, die voll Entsetzen starr auf der Bank saß, einen Revolver zu.
»Auch das überstehen wir!« sagte er hart. »Bei Gott, ich erschieße ihn!«
»Das wäre Mord!«
»Notwehr, Helena.«
»Wie willst du das später erklären?«
»Später? Wer denkt denn daran?« Er lachte bitter. »Ein Brecher hat ihn über Bord gespült, ganz einfach. Er war unvorsichtig, hatte sich mit seinem Sicherheitsgurt nicht eingehakt, der Wind hatte 45 Knoten, die Wellen schlugen voll über uns hinweg. Wer will uns das Gegenteil beweisen?! Ich würde es sogar ins Logbuch eintragen.«
»Du kannst keinen Menschen töten. Du nicht! Das weißt du ganz genau.«
An Deck heulte noch immer Trosky. Dann polterte er den Niedergang herunter und stürzte in die Kajüte. Sein Blick fiel sofort auf Peters Pistole und Helena, die nach dem Revolver auf dem Tisch griff.
»Wer war es?« brüllte Trosky heiser. »Das geile Luder! Nur sie kann es gewesen sein! Sie war allein oben! Wir haben hier alle Suppe gefressen!« Er blieb an der Treppe stehen, ballte die Fäuste und starrte auf die verschlossene Kojentür. »Komm heraus, du Aas! Die Tür nützt dir gar nichts! Ein Fußtritt, und sie ist Kleinholz!«
»Erst mußt du sie erreichen!« sagte Losskow kalt.
»Und ihr wollt mich mit euren Knallern daran hindern?« Trosky lachte dröhnend. Aber der irre Unterton erzeugte ein Frieren auf Peters Haut. »Ihr wollt wirklich auf mich schießen?«
Trosky machte einen Schritt vorwärts. Losskow hob die Pistole und zielte auf Troskys linke Brustseite. Über Troskys Gesicht lief ein Zucken.
»Ich verfluche euch!« sagte er heiser. »Der Himmel möge es hören: Ich verfluche euch! Verrecken sollt ihr! Um mich ist es nicht schade, aber ihr – ihr sollt zugrunde gehen, wie noch nie Menschen verreckt sind!«
Plötzlich weinte er. Er ließ sich neben Helena auf die Polsterbank fallen, legte den Kopf weit zurück, sein Mund riß auf, und dann schluchzte er wie ein Kind, sein Körper wurde wie von Krämpfen geschüttelt, Speichel troff aus den Mundwinkeln in den wild wuchernden Bart.
Es war ein fürchterlicher Anblick, der hätte Mitleid erwecken müssen, wenn es eben nicht Trosky gewesen wäre.
»Wir werden wieder einen Fisch fangen«, sagte Losskow. »Bei Feuerland kommen wir in fischreiche Gebiete. Und Robben gibt es da. Tausende von Robben. Sie bevölkern ganze Inseln. Und vielleicht einen kleinen Wal. Wir kommen bald in Wal-Reviere.«
»Es war mein erster Hai«, schluchzte Trosky. »Drei Stunden habe ich mit ihm gekämpft. Er gehörte mir.«
»Er fiel ja schon auseinander!«
»Ist das ein Grund, ihn wegzuschmeißen? Wir fallen ja auch auseinander. Wer wirft uns ins Meer?«
»Darüber werden wir noch zu entscheiden haben«, sagte Losskow gepreßt. »Wenn unser Frischwasser zu Ende ist. Ich muß den Kurs ändern. Wir müssen zu den Falkland-Inseln. Die Flauten haben uns fast drei Wochen gekostet. Es reicht nicht mehr zum Nonstop um Kap Horn.«
»Aber deine dämlichen Wikinger konnten es, was?« schrie Trosky. »Haben die ihre Pisse getrunken?«
»Sie hatten vielleicht mehr Glück und besseren Wind, Jan. Einen Whisky?«
»Leck mich am Arsch!«
»Wenn du dadurch vernünftiger wirst?«
Trosky sah Losskow aus blutunterlaufenen Augen an. Dann stemmte er sich von der Bank hoch, warf noch einen Blick auf die verschlossene Kojentür hinter der Lucrezia zitternd auf ihrem Bett hockte, und stieg dann wieder an Deck. Mit einem Seufzer ließ sich Helena zurücksinken. Der Revolver polterte aus ihrer Hand auf den Kajütenboden.
»Ich habe gebetet«,
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