Die Fahrt Zu Den Sternen
richtig einschätzen können müssen, wenn sie für sich und ihre Kinder auch im nächsten Jahr etwas zu essen haben wollen. Neunzig Prozent von Khang Kieaans bewohnbarer Oberfläche ist gutes, landwirtschaftlich nutzbares Land; da kümmert es sie natürlich sehr wohl, zu wissen, ob es genug regnen wird, um ihre Ernte gedeihen zu lassen… oder genug, um sie zu ertränken.«
»Hört sich für mich ziemlich einfach an«, wunderte sich Markel. »Man braucht doch bloß ein Computermodell der Atmosphäre und der Bodenoberfläche zu erstellen und da seine Zahlen reinzuknallen. Bei weitem nicht so kompliziert wie einen Kurs durch den Vier-Raum zu berechnen, der vom einen zum anderen Quadranten abkürzt, ohne daß man dabei mit einem Neutronenstern zusammenstößt.«
»Soso, meinst du wirklich?« fragte Johnny. »Na schön, hier: Ich besorge dir eine Liste mit Referenzen auf die neuesten Wettermodell-Theorien, und du kannst dir einen vollständigen Datensatz über Khang Kieaans gegenwärtiges Wetter herunterladen. Wir werden wahrscheinlich noch weitere zwei, drei Schichten hier bleiben, um Hoa aufzulesen. Also wirst du jede Menge Zeit haben, um eine Vorhersage über… na sagen wir, die Niederschlagsmenge über dem Grünsee und die zu erwartende Höchsttemperatur im Gebiet der Zentralebene zu treffen, das dürfte für den Anfang genügen. Wirf einfach einen Blick auf die Modelle, entscheide, welches davon am besten funktioniert, und… wie hast du es ausgedrückt?… knall die Zahlen da rein. Danach werden wir ja sehen, wie dicht du dran gelegen hast.«
Markel war eigentlich nicht zu Johnny gekommen, um sich zusätzliche Hausaufgaben einzufangen. Aber er hatte schon vor einiger Zeit begriffen, daß es ihm auf lange Sicht in der Regel zum Vorteil gereichte, wenn er tat, was Johnny Greene ihm vorschlug. Hinzu kam, daß Johnny, wenn er ihn erst einmal mit einer derartigen Studienaufgabe betraut hatte, so lange nicht mehr bereit war, sich mit Markel zu unterhalten, ihm noch nicht einmal Geschichten über die Abenteuer der Asteroidenschürfer erzählte, bis Markel nachweisen konnte, daß er die Arbeit erledigt hatte. Also kopierte er sich die Referenzdokumente in sein privates Dateiarchiv, trug dem Computersystem auf, Khang Kieaans gegenwärtige Wetterdaten herunterzuladen, und überflog wissenschaftliche Abhandlungen über Wettermodellierung, während er darauf wartete, daß die planetaren Daten eintrafen.
Er erwartete seinen Lehrer bereits ungeduldig, als Johnny zwei Schichten später wieder von seinem Dienst zurückkam.
»Dieses Zeug ist völlig verrückt«, beschwerte er sich. »Schau mal, ich habe drei verschiedene Modelle programmiert –
schön, okay, ich mußte nicht alles von Grund auf selbst machen, der Großteil des Programmcodes war den Abhandlungen schon als fertige Anhangdateien beigefügt –
und habe alle drei mit denselben Zahlen gefüttert, und jetzt sieh dir mal die Ergebnisse an! Dieses hier behauptet, daß die Grünsee morgen zwischen Tagesanbruch und Mittag fünf Zentimeter Regen abbekommen wird, das da sagt eine dreißigprozentige Wahrscheinlichkeit für Wirbelstürme voraus und spricht mit keinem Wort von irgendwelchem Regen, und das hier«, er wedelte zur Unterstreichung seiner Ausführungen mit dem entsprechenden Ausdruck, »fragt bloß: ›Wenn im Regenwald ein Schmetterling mit den Flügeln flattert, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit für Schneefall in Alaska?‹«
Johnny lachte: »Willkommen in der Chaostheorie. Dieses letzte Modell teilt dir mit, daß es nicht über ausreichende Daten verfügt.«
»Ich habe es mit demselben Datensatz gespeist, den auch die anderen bekommen haben.«
»Es ist eben anspruchsvoller. Die anderen beiden Modelle sind so ausgelegt, daß sie dir ihre besten Einschätzungen nennen, gleichgültig wie hoch deren Wahrscheinlichkeit auch ausfallen mag – ungefähr in der Art, wie herkömmliche Wetterleute arbeiten. Dieses dritte jedoch«, Johnny tippte auf den Ausdruck, »weigert sich, eine Vorhersage zu treffen, auf die kein Verlaß ist. Und es ist nun mal so, daß jedes planetare Wettergeschehen das darstellt, was wir ein chaotisches System nennen – was bedeutet, daß seine benachbarten Lösungen mit voranschreitender Zeit exponentiell voneinander divergieren.
Ein derartiges System reagiert äußerst empfindlich auf seine Anfangsbedingungen, was bedeutet, daß eine noch so geringfügige Veränderung des Ausgangszustands – wie beispielsweise das
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