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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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werfen, was dort nahe der Straße vor sich gehen mochte.
    Anneke horchte in Richtung des Schusses und glaubte, eine Stimme zu hören. Sie erhob sich und schlich geduckt darauf zu.
    Sie hatte etwa zwanzig Schritte zurückgelegt, als sie eine Bewegung erhaschte. Anneke verbarg sich hinter dem Stamm einer Kiefer und konnte einen Steinwurf entfernt zwei Pferde und zwei Männer ausmachen. Einer der beiden war zu Boden gestürzt und kroch keuchend vorwärts. Von seinem Rücken stieg eine dünne Rauchfahne auf. Anneke stockte kurz der Atem, als sie die Blutspur bemerkte, die dieser Mann hinter sich ließ. Sie krallte vor Furcht die Finger in die Baumrinde, aber es war ihr nicht möglich, den Blick abzuwenden.
    Der andere Kerl war von seinem Apfelschimmel heruntergestiegen und kam auf den Verwundeten zu. Er war mit einem abgewetzten Lederwams bekleidet, dessen Schnüre über der Brust zu Schluppen gebunden waren. Trotz seines breitkrempigen Filzhutes konnte Anneke das Gesicht des |15| Mannes sehen. Seine Augen standen eng zusammen. Er trug einen kurzgeschnittenen rötlichblonden Bart, doch ihr fiel vor allem seine Nase auf, die ihm so schief im Gesicht saß, als wäre sie schon häufig von Fäusten bearbeitet worden.
    Mit ausdrucksloser Miene trat der Schiefnasige mit dem Stiefel gegen den vor ihm kauernden Mann. Der Verwundete stürzte ganz zu Boden, stöhnte laut und stieß einen kehligen Schrei aus, als der Schiefnasige seinen Stiefelabsatz in die Schußwunde bohrte. Ein weiterer Tritt drehte den Blutenden auf den Rücken. Der Mann beugte sich zu seinem Opfer herunter, entriß ihm eine Tasche, die der Verwundete an einem Ledergurt um den Körper trug, und rief ihm etwas zu. Anneke konnte die Worte von ihrem Versteck aus hören, aber sie verstand sie nicht. Es mußte sich um eine fremde Sprache handeln. Der Verwundete brachte mit der Verzweiflung eines Todgeweihten krächzend eine Erwiderung hervor, auf die der andere Mann mit einem Lachen reagierte und mit weiteren Worten, deren Tonfall keinen Zweifel daran aufkommen ließ, daß er sein Opfer verspottete. Schließlich richtete der Meuchler sich auf, zog einen Degen blank und trieb die Waffe dem am Boden liegenden Mann zuerst in die Brust und dann zweimal in den Bauch. Jeder Stich ließ den Sterbenden im Todeskampf zusammenzucken, und er jaulte auf wie ein Tier. Dann bewegte er sich nicht mehr.
    Der Schiefnasige schleifte die Leiche in eine Senke, schob mit dem Stiefel Laub über den Körper und scheuchte das Pferd des Toten mit einem Schlag auf das Hinterteil davon. Er hängte sich die Tasche um und stieg auf seinen Apfelschimmel. Anneke hörte, wie sich der Hufschlag entfernte.
    Sie atmete mehrmals tief ein und aus und wartete ab, bis sich ihr Herzschlag beruhigt hatte. Niemals zuvor hatte sie gesehen, wie ein Mensch getötet wurde, und das elendige |16| Jaulen, das dieser Mann vor seinem Tod von sich gegeben hatte, klang ihr noch immer in den Ohren.
    Erst als sie davon überzeugt war, daß sich der Mörder außer Sichtweite befand, wagte sie sich aus ihrem Versteck hervor. Ihre Finger, mit denen sie noch immer das Gebetbuch wie einen schützenden Schild vor die Brust preßte, zitterten, und auch ihre Knie fühlten sich so weich an, daß sie ihre Schritte schwankend setzte.
    Sie näherte sich der Senke, in die der Mörder sein Opfer geschleppt hatte, und hockte sich neben die Leiche. Anneke konnte unter der Laubschicht die Stirn des Mannes erkennen und auch den blutbeschmierten dunkelblauen Mantelstoff.
    Obwohl sie sich vor dem Toten fürchtete, wischte sie das Laub von seinem Gesicht. Ein hübsches Antlitz kam dort zum Vorschein. Die Miene des jungen Mannes wirkte so unschuldig, als hätte er sich nur kurz schlafen gelegt.
    Vorsichtig hob Anneke den Mantel an und betrachtete das schlichte Stoffwams darunter. Er war wie ein einfacher Bürger gekleidet. Womöglich handelte es sich um einen Postreiter, der eine so wichtige und gefährliche Nachricht mit sich geführt hatte, daß sie ihm zum Verhängnis geworden war.
    Sie streckte die Finger nach dem Wams aus, doch in diesem Moment schlug der vermeintlich Tote die Augen auf. Anneke erschrak und stieß einen spitzen Schrei aus, denn er hatte nach ihrem Handgelenk gegriffen.
    »Nicht!« keuchte Anneke heiser. »Laß ab von mir!«
    Seine Finger drückten fester zu, während er einige Worte hervorbrachte.
    »Nein, nein«, rief Anneke und versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. »Ich verstehe deine Sprache nicht.«
    »Geh zu

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