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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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weinte.
    Am nächsten Morgen fand sie auf ihrem Schreibtisch eine alte Postkarte mit einer Schwarzweißfotografie, ein Paar, das Hand in Hand durch die Tuilerien in Paris schlenderte. Daniel entschuldigte sich in kurzen Sätzen, schrieb, an ihrer Seite wolle er durch das Leben gehen, mit ihr wolle er alt werden. Dein Mann, der dich über alles liebt, schrieb er darunter.
    Linda war allein nach Irland geflogen, weil ihr Freund Martin schlechtes Wetter nicht mochte. Sie hatten sich gestritten und am nächsten Morgen beschlossen, dass jeder die Ferien für sich verbringen würde.
    Im Schaufenster einer Buchhandlung in Galway fiel ihr ein vergilbter Bildband über die Vögel der Britischen Inseln auf. Der Antiquar sagte etwas über die Tölpel, die vor langer Zeit ausgestorben waren, blätterte. Er nuschelte in seinen Bart, Linda musste sich anstrengen, um den Dialekt zu verstehen.
    Du kennst dich aus mit Vögeln?, fragte er.
    Wie viel kostet es?
    Ich habe da oben noch ein günstigeres, sagte er und stieg auf eine Leiter.
    Nein, ich will dieses.
    Sie bot ihm zwanzig Euro.
    Er zögerte, fragte dann, ob sie allein unterwegs sei.
    Linda nickte. Er sah auf die Uhr.
    Gehen wir ein Bier trinken? Ich mache in einer halben Stunde zu.
    O.k., sagte sie, why not.
    My name is Pat.
    Linda, sagte Linda.
    Und dein Mann wollte nicht mitkommen?
    Pat deutete auf den Verlobungsring, den sie immer noch am Finger trug.
    Wir haben uns getrennt, sagte Linda und versteckte ihre Hand in der Hosentasche.
    Das tut mir leid, sagte Pat.
    Nicht nötig, sagte Linda, ich bin gerne allein unterwegs.
    Sie nahm einen großen Schluck Bier.
    Eigentlich bin ich sowieso lieber allein.
    Ja, ich auch, sagte Pat, ich habe immer allein gelebt.
    Ich will meine Ruhe haben, sagte Linda.
    Wer will das nicht. Pat lachte. Wohin fährst du morgen?
    Auf die Aran Islands.
    Touristenfalle, sagte er.
    Ich liebe Inseln, entgegnete Linda.
    Dann musst du nach Clare Island fahren! Grace O’Malley hat dort gelebt, eine Piratin. Ihr Turm steht direkt am Hafen. Als ich das letzte Mal dort war, habe ich Falken gesehen.
    Linda fuhr hoch.
    Falken, wirklich?
    Zwei Turmfalken, sagte er. Vermutlich nisten sie unter dem Giebel. Ich kenne mich nicht aus mit Vögeln.
    Ich schon, sagte Linda.
    Es gibt auch Papageitaucher auf Clare Island, fügte er hinzu, bei den Steilklippen auf der Südseite.
    Pat kritzelte eine Skizze auf seinen Bierdeckel. Er zeichnete einen eckigen Turm mit Zinnen und Schießscharten. Es folgten ein gezackter Felsen und ein Weg. Dann entwarf er einen Vogel mit einem riesigen, runden Schnabel.
    Der kippt gleich um!
    Du weißt ja, wie Papageitaucher aussehen.
    Linda nahm den Bierdeckel entgegen, lachte über die unbeholfene Skizze.
    Was auch immer du tun willst in deinem Leben, pack es an! Er schlug ihr auf die Schulter. Auf Clare Island lebt sonst noch ein merkwürdiger Vogel, Pat grinste in seinen Bart, aber den wirst du schon selber finden.
    Weiß lag der Nebel vor ihr. Von Clare Island war nicht einmal der Umriss zu erkennen.
    Die Fähre stach in die feuchte Leere. Linda spürte die Nähe der Wellen, die ihren Takt an die Bordwand schlugen. Mit den Hüften lehnte sie an der Reling, die Hände hatte sie in den Taschen ihres Parkas geballt. Klebriger Dieselrauch blies ihr ins Gesicht. Sie zündete sich eine Zigarette an, rauchte trotzig gegen den Wind an. Der Antiquar hatte Recht. Was auch immer sie tun wollte, sie musste es anpacken. Sie musste ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Etwas musste geschehen. Sie wusste nur noch nicht, was das sein würde. Aber was auch immer nun auf sie zukäme, sie war bereit, sich darauf einzulassen. So wie bisher jedenfalls konnte es nicht weitergehen. Gedankenverloren streifte sie ihren Verlobungsring vom Finger, ließ ihn in die Wellen fallen, als wäre es ein Stück Abfall. Möwen und Tölpel kreisten um das Boot, kreischten.
    Und dann hoben sich die Nebelschwaden. Von einem letzten Sonnenstrahl beleuchtet kauerte der bullige Turm im Windschatten eines Bergs, dessen Gipfel von einer Wolke umhüllt war. Linda sah das Licht auf der Verschalung aus Schiefern erlöschen. Von alten Kartoffeläckern gefurchte Felder, Hecken und Steinmauern und die Bungalows, die sich an die Südflanke der Insel duckten, verschwanden im Dämmer, ebenso wie die Schafe, die minutenlang als helle Punkte über die Wiesen gezogen waren. Scharben hockten auf den Felsen, graue Striche, die alsbald mit dem Horizont verschmolzen.

Ihre Hände streichen nervös

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