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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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eine Undine taucht.
    Auf den ältesten Parzellen wuchs dürres Gras, von hergewehtem Sand erstickt. An einer Stelle hatten die Stürme die Erde so weit abgetragen, dass Linda eine vom Wetter geschliffene Schädeldecke zu erkennen meinte. Sie verharrte ehrfürchtig. Die moosbewachsene Inschrift war nicht mehr zu entziffern.
    Komm, sagte Daniel und reichte ihr die Hand. Sie gingen an den Gräbern vorbei auf die alte Zisterzienserabtei zu. Bei dem keltischen Obelisken, der an der höchsten Stelle über den Friedhof wachte, blieben sie stehen, sahen auf die Bucht hinunter.
    Die Aussicht möchte ich auch, wenn ich tot bin!, rief Linda gegen den Wind.
    Nicht schon wieder vom Sterben reden!
    Daniel fuhr ihr mit dem Zeigefinger über die Lippen. Linda wollte etwas entgegnen. Er küsste ihr die Worte von der Zunge.
    Daniel fischte einen rostigen Schlüssel mit Bart aus der Jacke, sperrte das Gitter auf. Im Hof standen Farbeimer und Ölfässer. Umgekippten Puppenzelten gleich türmten sich Sandwichverpackungen am Boden, Bierdosen lagen herum, leere Flaschen. Die irische Heimatschutzbehörde, schnaubte er. Als ich noch allein hier gearbeitet habe, sah das anders aus!
    Aus einer feuchten Stelle in der Mauer kullerten Tropfen.
    Tränen, sagte Linda.
    Ein Weeping Stone. Diese Mauer sollte auch saniert werden. Aber ich bin dagegen. Im Giebel nisten Choughs.
    Vögel?
    Verwandte der Elstern. Sehr klug. Abgesehen von den roten Schnäbeln und Beinen sehen sie aus wie Bergdohlen.
    Eine Art Meerdohlen also?
    Sie leben normalerweise in den Felsklippen über der Brandung. Sind Kunstflieger wie die Raben. Sogar mit dem Bauch nach oben hab ich sie schon vorbeisegeln gesehen.
    Wie alt ist die Abtei?, fragte Linda.
    St.Brigid ’ s Abbey wurde 1224 vom Clan der O’Malleys erbaut. Die alte Kirche ist im 15. Jahrhundert hinzugefügt worden. Daniel strich über den feuchten Stein, trat durch das Tor. Im Innenhof roch es nach Urin und Müll und Tierkadavern. Linda folgte ihm durch den Unrat. Sie kletterte hinter ihm über Bretter und Betonsäcke zur Eingangstüre, zwei Sperrholzflügel, die provisorisch in die alten Angeln gehängt worden waren.
    Die Luft in der Abtei war stickig und staubgesättigt, auch über den Altar aus schwarzem Kalk zog sich ein heller Film.
    Durch zwei Kippfenster, die in die Wand hinter dem Altar eingelassen waren, flutete Sonnenlicht. Staubpartikel tanzten in den Lichtbahnen. Am Boden lag Verschalungsholz. Betonsäcke und Eimer mit Kalk türmten sich an der Wand entlang.
    Linda ging zu dem Grab, das in die Seitenwand eingelassen war, eine Alkove, über der sich der Bug eines Schiffes wölbte. Daneben war eine Plakette aus geschwärztem, poliertem Kalkstein in die Wand gemauert. Ein von Pfeilen getroffenes Wildschwein, ein Pferd und ein Segelschiff zierten das Wappen. Terra marique potens, stand darauf, und der Name des Clans: O’Malley.
    Deine alte Bekannte, rief Linda.
    Jawohl, deine Otter-Verwandte. Die braucht uns aber nicht zu kümmern. Schau!
    Daniel zeigte mit großer Geste in den Raum, umfasste Wände, Gewölbe, Decke. Er holte aus, als wolle er auch den Himmel umarmen.
    Mythische, tierische und menschliche Figuren wechselten sich ab zwischen dem Zickzackmuster aus schwarzen Fliesen, das die Kuppel in Segmente unterteilte.
    Fresken! Die sehen uralt aus!
    Linda war begeistert.
    Nicht ganz, korrigierte Daniel sie. Sie wurden auf trockenen Kalk aufgetragen, nicht auf frischen. Fresko kommt von frisch, fügte er noch an. Siehst du, wie scharf die Ränder eingeritzt wurden? Es sind die ältesten Wandmalereien ihrer Art in ganz Irland, ich kann es beweisen!
    Linda staunte über die abstrakten Figuren, die sie an Höhlenmalerei erinnerten. Sie erkannte Hirsche und Rehe. Bäume wuchsen aus der Wand. Vögel tauchten auf, ein Wildschwein. Sie sah Wölfe, Hunde, Männer mit Harfen und Männer mit Pfeil und Bogen. Sie sah Männer, die auf Pferden ritten. Ein ziegelrotes Pferd, dessen Reiter Helm und Rock trug, galoppierte über die Wand. Mit einem Stock trieb er das Pferd an. Linda trat näher und sah, dass darüber schwach ein Reh in den Putz geritzt war. In hohem Bogen sprang es über die Mauer, ein Jagdhund folgte ihm auf den Fersen.
    Kein einziges christliches Symbol, ist dir das aufgefallen? Daniel sah sie prüfend an. Linda nickte. Je länger sie an Wände und Decke starrte, desto mehr Figuren erkannte sie. Sie sah einen Drachen, wunderte sich, was der in einer Abteikirche verloren hatte.
    Die Kelten hatten

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