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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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Seelen.
    Wir gewinnen auch gegen die Zeit, sagte Granuaile.
    Vor vierhundert Jahren haben unsere Vorfahren die Invasion der Normannen überlebt, sagte Dubhdara. Und wo ist ihr Einfluss geblieben? Keine Spur mehr davon, Tochter, die keltische Welt hat sie verschluckt, und wer überlebte, wurde als neuer Kelte ausgespuckt. Lass uns mit den Engländern ebenso verfahren: Sie sollen ins Land kommen, und wir werden sie verschlucken wie seinerzeit ihre Vorgänger aus dem hohen Norden.
    Granuaile erhob sich, stemmte die Arme in die Hüfte: Wir werden gewinnen!
    Und ihr Vater pflichtete ihr bei: Die O’Malleys wachsen an den Problemen der anderen. Während unsere Feinde ins Stolpern geraten, stehen wir auf!
    Er erhob sich ebenfalls.
    In harten Zeiten sind wir stark, verkündeten Vater und Tochter wie aus einem Munde.
    Was machen wir mit den Spaniern?, fragte Granuaile ihren Vater am selben Abend.
    König Philip träumt davon, England durch die Hintertüre Irland zu überfallen, erklärte er ihr. Wenn die Tudorkönigin sich Hoffnungen macht, dass wir sie umsonst gegen den mächtigen Feind unterstützen, täuscht sie sich. Aber schottische Söldner besorge ich ihr gern gegen Bezahlung! Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte.
    Ich stehe nicht gern an dritter Stelle, dachte Granuaile und schwieg.
    Gefährlich bleckt der Eber im Kerzenlicht die Hauer und grinst von der Wand. Er scheint die Schnauze zu verziehen, so sehr flackert das Flämmchen.
    In lauen Spätsommernächten waren sie jeweils in die Wälder um Murrisk gezogen, alle Männer und Jungen des O’Malley-Clans. Und Granuaile hatte sie begleitet. Sie hatten sich gemeinsam auf die Jagd gemacht, hatten die Hunde ins Unterholz getrieben und den Wildschweinen aufgelauert.
    In ihrem achtzehnten Lebensjahr hatte Granuaile mit ihrem Schwert eigenhändig einen Eber erlegt, das Wappentier des Clans.
    Dubhdara machte keine einfachen Geschenke.
    Das Gepäcksschiff, das mit Handelsgütern aus dem Land der O’Malleys voll beladen war, und die dreißig Krieger und Seemänner aus seiner Besatzung gab er seiner Tochter nur mit auf den Weg, weil er es selber nicht mehr geschafft hatte, rechtzeitig vor den Herbststürmen nach Spanien abzureisen. Nun konnte sie beweisen, wie mutig sie war. Granuaile segelte mit der aufgerüsteten Flotte nach Clare Island und begann, die Spanienreise vorzubereiten.
    Sie wies ihre Männer an, die Häute der schwarzen keltischen Rinder, die Wolle, die Leinenballen und die Fässer mit den eingesalzenen Heringen auf die Karavelle umzuladen. Wasser und Proviant wurden auf die beiden größten Galeeren verteilt.
    Während ihre Männer die Schiffe beluden, suchte sie die Abtei auf und erkundigte sich, wie es um den Gemüsegarten der Nonnen stand: Lauch und Zwiebeln, Kohl und Wirsing und Randen waren den Sommer über gut gediehen. Auch auf die Brunnenkresse und die Minze am Weg unten mussten die Klosterfrauen verzichten.
    Bedächtig strich Granuaile mit dem Finger über den weinenden Stein in der Klostermauer. Als Kind hatte sie die Tropfen mit der Zunge abgeleckt und gestaunt, dass auch die Tränen der Mauer nach Salz schmeckten.
    Sie lud die Ernte der Nonnen auf den Rücken ihres Pferdes und ritt zur Burg zurück. Und auch das Gemüse der Nonnen wurde in den Frachträumen verstaut.
    Alles war bereit gewesen für die Fahrt nach Spanien.
    Hätte der Wind ihre Abreise zugelassen, hätte sie mit ihrer Gefolgschaft am Kap Finisterre überwintert und sich erst im Frühling um Mannschaftsunterkünfte auf der Insel bemüht. Allein der Erlös der Rinderhäute hätte sie im Land ihrer spanischen Geschäftspartner und Freunde für einige Monate gut leben lassen.
    Aber das Wetter blieb ungünstig.
    Mit jedem Tag, der verging, wurden die an Bord eingelagerten Vorräte weniger. Und ihre erste Chance verstrich ungenutzt.
    Und Granuaile setzte auf ihre zweite Chance.
    Die ganze Nacht stand sie am Fenster und spähte auf das Meer hinaus. Wartete, dass Beute auftauchte.
    Es kamen keine Schiffe in jener Nacht, und auch in den folgenden Tagen kamen keine Schiffe.
    Granuaile stand an der Lukarne, und der Horizont blieb leer.
    Granuaile hoffte auf Strandgut.
    Jeden Morgen galoppierte sie an der Küste entlang, um Ausschau zu halten. Sie träumte von Hühnern, die mit zusammengebundenen Beinen auf dem Wasser tanzten und mit ihren Flügeln die Gischt peitschten. Von Kornschiffen und Hafer; das Getreide triebe auf den Wellen, die Seevögel stürzten sich herab und verdunkelten

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