Die Falken und das Glück - Roman
Fahne glitt die Flotte an Inishturk vorbei und kam zur heiligen Insel Caher, wo auch Granuaile in der aus bloßen Felsbrocken gebauten St.-Patricks-Kapelle gebetet hatte.
Schiffe!, rief der Späher. Feindliche Schiffe!, fügte er an, und die Flotte hielt auf die Küste zu.
Die Flaggen der Joyces!, rief Granuaile. Anlegen! Die Joyces sind auf Pilgerfahrt!
Wollen sie etwa den Stein der Gerechten anrufen?, wunderte sich Tuathal.
Für diese Verlogenheit wird St. Patrick ihre Schiffe im Sturm sinken lassen! Kommt, wir bedienen uns, solange sie noch scheinheilig vor dem Altar knien, sagte Granuaile.
Ulick schrie: Hundesöhne! Ich bringe sie um! Jeden einzelnen von ihnen! Kopf ab!
Ihr steht unter meinem Kommando!, wies Granuaile ihre hitzköpfigen Kapitäne zurecht. Ich habe keinen Angriff befohlen!
Die Galeeren der Joyces hatten Masten aus morschem Tannenholz und waren höchstens als Brennholz zu gebrauchen. Einzig die größte der feindlichen Galeeren genügte ihren Ansprüchen. Sie nahm eine Handvoll heilige Erde von der Insel und warf sie gegen den Rumpf.
Die Mäuse und Ratten der Joyces sollen Granuailes neues Schiff verlassen!, rief sie.
Und am Horizont erhob sich die Kuppe von Cnoc More aus den Wellen. In der von schweren Wolken gedämpften Mittagssonne erkannte sie die Steilhänge von Clare Island: saftiges Gras bis weit in den Herbst hinein. Von weitem sah sie die Fässer mit eingesalzenem Fisch, die dem Pier entlang aufgestapelt waren, drei, vier Reihen hoch, wirkten sie wie ein Bollwerk gegen den Atlantik.
Granuailes Herz schlug höher.
Ihre liebsten Kindheitserinnerungen waren mit der Insel verbunden, ihre Zukunft würde davon abhängen: Clare Island war alles, was sie hatte, die Insel war ihr Leben.
Statt anzulegen, befahl sie zu halsen, in die Clew Bay hineinzusegeln und auf den Hafen von Murrisk zu halten.
Granuaile steht am Fenster und starrt in den dämmernden Morgen. Was für ein Sturm!
Weiße Schaumkronen reiten auf den Wellenrücken. Die Brandung schlägt gegen die Mauer ihres Turms. Die Taue knallen wie Peitschenschläge.
Musik in Granuailes Ohren.
Dubhdara hörte von den O’Malley-Flaggen, die in seiner Bucht aufgetaucht waren, und eilte zum Hafen. Noch bevor sie den Anker warf, sah Granuaile ihren Vater winken, sah seine langen Haare, die weiß geworden waren, im Wind wehen.
Sie sprang als erste an Land und schloss den alten Mann in die Arme. Erschrak, wie knochig seine Schultern geworden waren, wie krumm sein stolzer Rücken. Die Gesichtshaut glich einer spanischen Wurst, war runzlig und von geplatzten Adern überzogen. Über seiner fransenverzierten Jacke aus Rindsleder trug er einen schweren Überwurf, der mit Marderfell gesäumt war und den er mit einer Brosche über der Brust befestigt hatte.
Ließ ihn seine Gebrechlichkeit so frieren?
Müde siehst du aus, Tochter, begrüßte er sie, aber wie ich sehe, sind meine Galeeren in bestem Zustand!
Nach dem Tod ihrer Mutter war Granuaile für einige Monate nach Murrisk zurückgekehrt, um ihrem Vater zu helfen. Während er trauerte, kümmerte sie sich um seine Flotte. Und tat das sehr erfolgreich.
Nimm die Schiffe, hatte ihr Vater danach gesagt und ihr als Dank für ihre Hilfe seine zwei besten Galeeren mit auf den Weg gegeben, dazu je dreißig seiner stärksten Männer an die Ruder. Mit den neuen Galeeren war sie nach Schottland gefahren, um Söldner zu holen, die in Irland ihrer roten Kniestrümpfe wegen Rotschenkel genannt wurden.
Sie heuerte die gefürchteten Krieger auch für andere Clans an, hauptsächlich die O’Neills und die O’Donnels in Ulster, und nahm damit einen Handel auf, den schon ihr Vater betrieben hatte. Außerdem stellte sie ihre eigenen Galeeren in den Dienst befreundeter Clans und eskortierte Handelsschiffe gegen Bezahlung. Vor allem aber erpresste und plünderte sie fremde Kapitäne.
Das Begrüßungsessen für Granuaile, die als Witwe ins Schloss von Belclare zurückkehrte, begann mit Austern, gegarten Möwen mit Brunnenkresse, Meerdohlen, in Teig gebackenem Hering, Hasen, Lauch. Als Hauptgang wurde Hirschbraten auf einer Holzplatte gereicht.
Granuaile zog eine silberne Gabel aus der Tasche, ihr Zaubertrick, der die Männer immer wieder verblüffte. Sie hatte die Gabel auf einem französischen Schiff ergattert. Nun unterhielt sie die Gäste, indem sie demonstrierte, wie man mit dem Besteck kleine Fleischstücke aufspießte und sie zum Mund balancierte. Tuathal versuchte es ebenfalls, aber die Brocken
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