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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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die Sonne mit ihren Schwingen. Sie sah ihre Männer Steinschleudern holen, bevor sie das Getreide aus den Wellen fischten.
    Oft liefen in Seenot geratene Schiffe auf den Felsen am westlichsten Zipfel der Insel auf.
    Aber in diesem Herbst blieben auch die Fluten leer.
    Granuaile presst sich die Fäuste auf den Mund, konzentriert ihre ganze Kraft auf den nächsten Morgen. Sie sieht die Stadtmauern vor ihrem inneren Auge. Konzentriert sich, bis die Steine bersten, ihre Kanonenkugeln auf die Herrschaftshäuser von Galway zufliegen. Der Schaden wird gewaltig sein; bevor die nächste Nacht aufzieht, wird die verhasste englische Festung in Trümmern liegen.
    Sie greift nach Donals Schwert und umklammert den Griff.
    Ihre Anspannung lässt die Luft im Turmzimmer beben.
    Die Zeiten, in denen sie sich mit Strandgut und in Seenot geratenen Handelsschiffen begnügte, sind vorbei.
    Im Morgengrauen wird sie Galway erstürmen. Wird sie aller Welt beweisen, wie stark sie ist. Wird sie die englischen Herrscher in die Schranken weisen und das Überleben ihres Clans sichern. Mit wehenden Fahnen werden die Schiffe der O’Malleys und der O’Flahertys fortan in Galway einlaufen. Und der größte Hafen ihrer Zeit wird wieder ihnen gehören, der Handel der beiden Clans wird aufblühen. Sie wird indirekt damit auch der Tudorkönigin einen Denkzettel verpassen und ein Zeichen zugunsten der keltischen Welt setzen.
    Der Angriff auf Galway ist die eine Chance, die ihr bleibt.
    Granuaile wendet sich an den zahmen Vogel. Das Tier schüttelt sein Gefieder und sieht sie an.
    Die Clew Bay wird mir gehören!, flüstert Granuaile.
    Die Westküste wird mir gehören!
    Mir und euch, den Falken.

Es geschah im Bad, das Kind fiel ihr in die Hände, keine zwei Zentimeter groß und alles voll Blut, sie wollte es festhalten, unser Kind, unser Kind, schrie sie.
    Daniel brachte sie ins Krankenhaus. Er sagte kein Wort.
    Ihr gemeinsames Kind, sie hatte es verloren. Und er schwieg.
    Später machte er ihr Vorwürfe. Sie habe sich zu wenig geschont. Sie hätte nicht im Garten arbeiten sollen. Sie forderte ihn auf, weniger zu trinken.
    Um ein gesundes Kind zu machen, braucht es zwei, sagte sie.
    Er enthielt sich ein, zwei Tage, mehr schaffte er nicht. Sie ging ihm aus dem Weg.
    Alles in Ordnung, hatte der Gynäkologe in Galway gesagt, nur weiter üben!
    Daniels Geruch widerte sie nun an, auch wenn er einige Tage nichts getrunken hatte. Sein Körper dünstete Alkohol aus, immer umgab ihn dieser Weingeruch, der die Übelkeit in ihr hochsteigen ließ. Gotterbärmlich stinkend sank er jeweils neben ihr ins Bett, schwer und unzurechnungsfähig. Und sie hatte wieder einen Monat, eine weitere Gelegenheit verpasst, die biologische Uhr tickte. Sie stellte sich vor, sie werde den Rest ihres Lebens damit verbringen, ihm zuzusehen, wie er sich langsam zu Tode soff. Sie glaubte, wenn sie nur lange genug so tat, als wäre sie stark und unverwundbar, würde sie eines Tages stark und unverwundbar sein. Nicht einmal ihrer Schwester gestand sie ihre Not. Als wären die Probleme nicht vorhanden, solange sie niemandem anvertraut wurden, als könnte sie noch jederzeit die Augen öffnen und den bösen Traum verscheuchen.
    Daniel rettete sich in seine Arbeit. Er telefonierte, schrieb Briefe. Er sortierte seine Bilder und bereitete Diashows vor. Er feilte an seinen Vorlesungen. Linda half. Im Herbst waren sie für eine Vortragsreise nach Deutschland eingeladen. Außerdem wurde Daniel an der Universität Bern von seinem ehemaligen Kollegium empfangen. Pharao blieb in Irland bei den Nachbarn. Er hatte mit Flugreisen noch größere Mühe als Daniel. Der wiederum wollte in Galway schon umkehren, weil er glaubte, es befinde sich eine Bombe an Bord. Er trank drei Guinness, und als Linda ihn endlich an der Passkontrolle vorbei und auf seinen Platz im Flugzeug gelotst hatte, war er vollends überzeugt, in den Tod zu fliegen, brummelte noch, wenigstens sei sie bei ihm, und ergab sich seinem Schicksal. Bis zur Landung schlief er schwer an ihrer Schulter.
    Sie wohnten in mittelmäßigen Hotels, sie besichtigten die Einkaufszonen deutscher Kleinstädte, saßen in Eisdielen und lasen Zeitungen, die nicht über ihren bevorstehenden Diavortrag berichteten. Imaginäre Krankheiten ereilten ihn. Er verlor die Stimme, er hatte Durchfall, Migräne, Blinddarm, einen Herzinfarkt, bekam Pickel. Stand vor dem Spiegel und glaubte, über Nacht büschelweise Haare verloren zu haben. Sie versuchte ihm beizustehen, das

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