Die Falken und das Glück - Roman
Ballinahinch.
Granuaile selbst, die während der letzten Jahre de facto als Chieftain gewaltet hatte, ging leer aus.
Eigentlich sollte eine Witwe bleiben, wo sie war, und hoffen, dass ein Verwandter des Verstorbenen sie zur Frau nahm. Aber Granuaile hatte keinerlei Heiratsabsichten, weil sie damit nur einen weiteren Konkurrenten für ihre Söhne ins Spiel brächte, und die würden ihr Erbe ohnehin hart verteidigen müssen.
Wenn sie nicht mehr heiratete, würde sie wohl im Schoße des O ’ Flaherty-Clans noch eine Zeitlang geduldet werden. Man würde ihr ein dunkles Zimmer überlassen, in dem sie wie eine alte Frau dahinvegetieren könnte.
Unmöglich.
Ihre Muskeln waren stark wie neue Taue, sie hatte die Kraft eines Mannes. Sie taugte nicht zur Trauer.
Und meine Mitgift, bekomme ich die zurück?
Hol sie dir!
In derselben Nacht begann sie zu packen. Sie nahm alles mit, was sich gegen Nahrungsmittel oder Waffen tauschen ließ: Pfannen, Krüge, Leinen, Decken, Teppiche, Werkzeuge für die Schiffe.
Tuathal half ihr, die Tiere einzupferchen, die ihr aus der Mitgift zustanden. Er blühte auf in seiner neuen Rolle, fühlte sich stark an ihrer Seite.
Granuaile bestand darauf, sich selbst um ihre drei Kühe zu kümmern.
Ulick, die Männer der Galeeren und die Krieger tauchten am Hafen auf, bettelten, ebenfalls mit ihr gehen zu dürfen. Sie gab ihnen Anweisungen, Nahrungsmittel auf die Schiffe zu verteilen.
Fischer kamen mitten in der Nacht zum Pier, Handwerker, sogar Bauersleute, die noch nie auf dem Meer gewesen waren, baten sie, mit ihr gehen zu dürfen. Bis zum Morgengrauen hatten sämtliche Untertanen ihres verstorbenen Ehemannes bei ihr vorgesprochen. Nur Donals Leibwächter waren nicht aufgetaucht, die konnte sie getrost ihrem Schicksal überlassen. Sie wählte so viele Krieger aus, wie Platz fanden in den Schiffen, und auch einige Zimmerleute. Sie verabschiedete sich von jedem Mann, den sie zurückließ, verabschiedete sich von den Familien der Mannschaft, und zuletzt verabschiedete sie sich von den Bediensteten des Schlosses.
Ihre drei Kinder aber sah sie nicht mehr; sie waren nach der Beerdigung zu ihren Pflegefamilien zurückgekehrt.
Die Talgkerze ist bis zum Stummel heruntergebrannt. Granuaile drückt die sterbende Flamme mit dem Finger ins flüssige Fett, versucht zu schlafen.
Im Gebälk rascheln Fledermäuse.
Sie meint, die Tiere mit ihren pergamentenen Flügeln durch den Raum schwirren zu hören, die Ohren an die Köpfchen gelegt, die Zähnchen weiß und spitz. Sie reißt die Augen auf und kann doch nichts erkennen.
Die Dunkelheit im Raum ist absolut.
Granuaile zieht sich das Otterfell über die Ohren und hofft, der Schlaf bringe ihr endlich Ruhe, nehme ihr die Kopfschmerzen und lasse sie weder die Tiere noch die nächste Wachablösung hören.
Granuaile fielen nach dem Tod ihres Mannes drei Trümpfe in die geübte Spielerhand: ein Transportschiff, beladen mit keltischen Handelsgütern, die sie in Spanien verkaufen wollte. Clare Island als idealer Stützpunkt, um fremde Schiffe zu plündern. Und Männer genug und auch Munition, um einen Angriff auf Galway zu wagen.
Nachdem sie ihren Mann zu Grabe getragen hatte, segelte Granuaile mit ihrer Flotte nach Murrisk, um sich mit ihrem Vater zu beraten und ihn um Hilfe zu bitten.
Begleitet von einer Flotilla aus Curraghs stach die kleine Flotte in See. Zum Abschied wurden Fahnen geschwenkt und Hemden, Leinentücher flatterten in der Brise.
Granuaile stand am Bug ihrer Karavelle; sie wollte die erste sein, die die O ’ Flaherty-Gewässer verließ, die erste, die am nächsten Tag das Land der O’Malleys erblickte.
Sie ließen die Fischer hinter sich, umrundeten Slyne Head und drehten nordwärts. Bald verschwanden auch die Umrisse der Berge von Connaught vom Horizont. Granuailes Flotte rauschte über die Barret Schoals hinweg, segelte die ganze Nacht der Küste entlang Richtung Norden.
Bei Tagesanbruch frischte der Wind auf, und die Schiffe legten an Geschwindigkeit zu. Steuerbords öffnete sich die zerklüftete Clifden Bay.
Die Schiffe glitten zwischen Inseln hindurch, vorbei an Klippen und knapp unter dem Wasserspiegel verborgenen Felsbrocken. Backbords tauchte der gezackte Umriss von Inishark auf.
Vorbei an Inishark.
Inishboffin.
Volle Kraft voraus.
Als im dunstigen Morgenlicht der Fjord von Killary ins Blickfeld kam, gab Granuaile Order, die O’Flaherty-Flaggen einzuholen und die O’Malley-Flagge zu hissen.
Unter ihrer ursprünglichen
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