Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
wieder von ihrem Gatten anhören zu müssen, sie solle gefälligst ihren Hof anständig führen und ihm nicht seine treuesten Vasallen verärgern. Diese würden der Königin ihre Töchter in der Hoffnung anvertrauen, dass sie bei Hof mit Achtung behandelt und eine standesgemäße Erziehung durchlaufen würden. So kam es, dass die Königin die Launen der böhmischen Sprösslinge ignorierte, soweit es ging. Trotzdem taten ihr Margarethe von Waldeck und Margot von Bischishausen oft leid, die derzeit einzigen deutschen Mädchen in ihrem Gefolge.
Die Königin schätzte die beiden: Margot war ein hübsches Kind aus bester württembergischer Familie, das mit großer Neugierde und Begeisterung bei der Sache war. Als Tochter des Truchsessen von Stuttgart würde sie später einmal eine glänzende Partie abgeben. Margarethe dagegen kam aus einfacheren Verhältnissen, war anstellig und bescheiden. Mit ihren nun sechzehn Lenzen kam sie ins heiratsfähige Alter. Die Königin nickte kurz, als sie Margarethes geübte, gleichmäßige Stiche auf dem Leintuch begutachtete. Das Herz wurde ihr fast ein wenig schwer, wenn sie daran dachte, wie wenig Interesse Margarethes Vater für seine Tochter aufbrachte. Kaum dass er sich nach ihrem Wohlergehen erkundigte oder gar Interesse am Fortgang ihrer Erziehung zeigte. Oft fragte sich die Monarchin, was wohl aus dem Mädchen werden würde. Vermutlich würde der alte Waldecker sie mit irgendeinem vierschrötigen Waffenbruder verkuppeln. Eine Schande wäre das. Liebend gerne hätte Sophie Margarethe bei sich behalten, doch angesichts ihrer eigenen unsicheren Zukunft war das ein schlechter Plan. Nein, für Margarethe musste es eine andere Lösung geben, eine, die ihren Vater zufriedenstellte und dem Mädchen zugleich eine Zukunft bot. Es war Zeit, sich endlich darum zu kümmern.
Sophie atmete tief durch, klatschte in die Hände und rief: »Lasst mich allein, meine Damen. Hinaus in den Garten mit euch!«
Das ließen sich die Mädchen nicht zweimal sagen. Wie aufgescheuchtes Federvieh flatterten sie aus dem mit prunkvollen Wandteppichen verzierten Saal. Dabei hatten sie es so eilig, dass die Hofknickse ein wenig ungelenk ausfielen und die Diener kaum rechtzeitig die hohe zweiflügelige Tür mit dem kunstvoll geschnitzten Wappen des Hauses Wittelsbach aufreißen konnten.
Erleichtert atmete Sophie auf. Zumindest diese Stunde war ohne Gezänk vergangen. Sie klingelte nach ihrem Schreiber.
Kurze Zeit später schwärmten die Mädchen durch das mächtige Eichenportal des Schlosses hinaus in den Garten. Sie hatten ihre höfische, mit modischen ornamentalen Mustern verzierte Kleidung gegen leichtere Gewänder aus hellem Leinen getauscht, die keine lästigen Schleppen besaßen. Ihre hellen Stimmen erfüllten den noch winterkahlen Schlossgarten mit überbordender Lebendigkeit, fast so, als würde er endlich wie aus einem langen Schlaf erwachen. Als Gruppe hatten sie das schmiedeeiserne Tor durchschritten, dessen goldene Spitzen in der hoch stehenden Sonne blinkten. Zuerst gingen die Mädchen artig hintereinander her, doch sobald es möglich war, strebten sie auseinander.
Drei Mädchen eilten vorneweg. Sie suchten nach den Bänken, die im Sommer in ausreichender Zahl im Garten gestanden hatten. Doch die hölzernen Sitzgelegenheiten stapelten sich noch in der Werkstatt der Zimmerleute und warteten darauf, gehobelt und mit Bienenwachs versiegelt zu werden. Lediglich zwei schmiedeeiserne Gartenbänke mit gewundenen Füßen hatten den Winter draußen verbracht und boten sich nun den Mädchen zum Verweilen. Die eine stand unter einer Trauerweide und glänzte von den Tropfen, die aus den Zweigen fielen. Die zweite Bank befand sich rechts neben den Rosenbeeten. Auch sie war ein wenig feucht, bot jedoch die einzig annehmbare Sitzgelegenheit weit und breit. Fast hastig strebten die drei Hofdamen an der Spitze darauf zu, breiteten eine Decke aus und nahmen die Bank in einer Weise in Beschlag, dass den beiden anderen nichts anderes übrig blieb, als weiterzugehen. Die Ältere, hoch aufgeschossen und mit kupferroter Lockenpracht, ignorierte das Verhalten der drei Mädchen. Der Jüngeren, die einen Kopf kleiner und kaum dem Kindesalter entwachsen war, schien der Sinn ohnehin nicht nach einer Ruhepause zu stehen. Sie stürmte mit wehendem Haar weiter in den Garten hinein.
Die drei Mädchen auf der Bank schüttelten ungnädig die Köpfe, giggelten und riefen der Rothaarigen hinterher: »He, Margarethe, pass bloß auf!
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