Die Fallen von Ibex
wohlgeformte Hand auf ihr Knie. „Meine Dienste”, erwiderte sie knapp. „Für eine festgelegte Anzahl von Projekten innerhalb eines ebenfalls festgelegten Zeitraums. Ich erbitte nichts Großartiges von dir - aufzuzeichnen, was ich sage, und - wenn die Umstände es erfordern eine Nachricht abzusenden.”
„Ah, aber da ist Verantwortung. Verantwortung für das Wissen um eine Halb-Vryhh-Tochter, um deren Aufenthaltsort und die Tatsache, daß es dich in gewissem Grade interessiert, was mit ihr geschieht. Das ist ziemlich viel wert.”
Sie klopfte mit dem Nagel ihres Zeigefingers auf das polierte Holz der Tischplatte. „Ah, aber vergiß nicht, was dich der Verlust dieses Vertrauens kosten würde. Du hast den Vrya gut gedient, Kenton Esgard - und genausogut hast du dich bedient.” Sie gluckste, ein tiefer, melodischer Ton, vollkommen bar jener Rauhheit, die gerade noch in ihrer Stimme vibriert hatte.
„Ich bin kein junger Mann mehr, Shareem.” Esgards Stimme klang sehr straff, sehr beherrscht. „Seit sechzig Jahren kenne ich dich schon. Und ich war bereits nicht mehr jung, als wir uns das erste Mal begegnet sind.”
Sie blinzelte mehrmals und starrte ihn an, als habe sie Schwierigkeiten, zu begreifen, was er ihr zu sagen versuchte.
„Also?”
„In dreißig Jahren könnte ich tot sein.”
Ihre Augen weiteten sich und verengten sich dann zu Schlitzen, als sie den Kopf schüttelte. „Unsinn. Für deinesgleichen bist du kaum in mittleren Jahren. Nun?”
Er betrachtete sie lange. „Festgelegte Zeit?”
„Ein Standard jahr.”
„Drei.”
Sie schüttelte den Kopf und lächelte sanft. „Zwei Standardjahre. Maximal.” Sie bewegte einen langen Zeigefinger gelassen hin und her. „Maximal, mein Freund.”
Er machte eine träge, wegwerfende Geste, mit der die Begrenzung gleichermaßen akzeptiert und mißbilligt wurde. „Zehn Projekte.”
„Du legst dich ins Zeug, mein Freund.” Ihr Lächeln wurde starr.
„Drei.”
„Sieben. Sonst lohnt es sich nicht für mich.”
„Unsinn. Fünf. Maximal.”
„Garantiert?”
„Garantiert.”
„Und das Doppelte meiner üblichen Provision.”
„Keine Verdoppelung; oder aber die Projekte auf drei reduziert.”
„Einverstanden.”
„Gemacht.” Die Vryhh-Frau lehnte sich mit einem langen Seufzer in ihrem Sessel zurück, als bedeute es ihr wirklich etwas, diese Angelegenheit unter Dach und Fach zu haben. Esgard entspannte sich ebenfalls und lächelte ein wenig- ein genießerisches Lächeln.
Er war voll und ganz zufrieden mit seinem Handel. Sie zog eine Grimasse, um zu bestätigen, daß sie dies sehr wohl wußte, dann wandte sie das Gesicht ab und starrte aus dem Fenster in das Unwetter hinaus, das nach Osten weiterzog. Am Westrand der Wolken brach das Leuchten des Mondes durch, ein fleckiges Schimmern, das die Dunkelheit woanders lediglich vertiefte. „Sie hat gerade zu sprechen angefangen, als ich sie verließ. Mittlerweile müßte sie drei, vielleicht vier Standardjahre alt sein”, sagte sie nach einer Weile. „Sie hatte Haare wie ich, ein wenig heller vielleicht, aber das könnte sich mit der Zeit ändern. Ihre Augen waren blaugrün und heller als meine. Wahrscheinlich kann sich auch das im Lauf der Zeit ändern. Ich habe sie Aleytys genannt - die Heimatlose, die Schlafplatzlose. Anzunehmen, daß ich damals nicht ganz bei Verstand war, obwohl ich mit dem Fieber fertig war… Auf diesem Dreckklumpen von einer Welt, und ohne richtige Chance, jemals wieder davon wegzukommen. Vielleicht ändert sie ihren Namen, vielleicht… wenn sie nichts mit mir und ihrem Erbe zu tun haben will; obgleich es schwerer ist, als man denkt, einen Namen zu ändern. Es ist, als schneide man ein Stück von sich selbst weg.
Gut möglich, daß sie sich von allem befreien wollte, was sie an mich erinnert. Schwer zu sagen, ich kenne sie nicht gut genug. Ich habe sie auf Jaydugar zur Welt gebracht, auf diesem Schiffsfallen-Ungeheuer, in einem Bergtal, das die Leute, die dort leben, Wadi nennen. Ein Fluß namens Raqsidan durchschneidet es. Sie wird meinen vollen Namen und Familienzweig erfahren… Vielleicht hat sie auch den Brief bei sich. Und wenn sie es tatsächlich schafft, so weit zu kommen, dann hat sie mehrere Höllen hinter sich, dessen bin ich mir sicher. Wahrscheinlich wird sie das Buch unterwegs verlieren. Was noch? Egal, ich rede zu viel. Du brauchst dir das nicht alles zu merken.” Sie griff in eine Tasche an ihrem Gürtel und zog eine Scheibe hervor. „Alles, was
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