Die Fallen von Ibex
Die Worte kamen ganz flach, knapp, und genauso fühlte sich ihr ganzer Körper an: flach, beengt. Sie war plötzlich so wütend, daß sie kaum ein Wort herausbrachte. So wütend, daß sie Angst hatte vor sich selbst. Sie biß sich auf die Zunge, damit sie nicht Dinge sagte, die Shadith unwiderruflich vertreiben würden, Dinge, von denen sie wußte, daß sie sie in ruhigerem Zustand weder fühlen noch glauben würde. Wie bei einem Zusammenbruch in den Ruinen von Neustadt war viel zu viel Zorn im Spiel, eine Wut, die jede Notwendigkeit so sehr überstieg, daß sie aus einer Quelle jenseits der gegenwärtigen Verärgerung genährt werden mußte. Sie preßte die Handwurzeln auf ihre Augen und versuchte, das Zittern zu unterdrücken.
Shadith gluckste, sehr darauf bedacht, ihren Zwist zu übersehen.
„Das hier vergiften?” Sie spritzte Wasser umher. „Wenn ich nur daran denke, was es aus meiner Haut macht, wird mir angst und bange.”
Aleytys knirschte mit den Zähnen. Das Feuer prasselte und zischte, oben raschelten wächserne Blätter, ein unsichtbarer Vogel zirpte ein paarmal und verstummte wieder, Nachtinsekten flitzten über das Wasser und schwirrten zwischen den Bäumen umher, eine allgegenwärtige unbeseelte Beharrlichkeit, und über all diesen verschiedenen Geräuschen das ungestüme Tosen des Flusses.
Aleytys schüttelte sich, seufzte, nahm die Hände herunter. Shadith kam die Uferböschung herauf, das Gesicht vom Waschen und Trockenreiben gerötet, die Stimme voller Tatendrang. Allerdings hörte sich das Ganze mehr nach Stimmübungen, denn nach einem richtigen Lied an; wenigstens für Aleytys.
Sie spähte in den Cha-Topf, teilte den Rest zwischen sich und Shadith auf. Sie fühlte sich sehr müde, die Erschöpfung hing wie ein Gewirr aus Ketten an ihrem Körper; eine Reaktion auf den Zorn, der sie noch vor wenigen Sekundenbruchteilen beinahe zu Asche verbrannt hätte. Sie reichte Shadith schweigend ihren Becher, saß da, nippte an der lauwarmen Flüssigkeit, während sich Shadith mit einem Seufzer der Zufriedenheit und einer lässigen Anmut gegen den Stamm eines alten, knorrigen Baumes lehnte.
Aleytys zögerte, die Stille zwischen ihnen war jetzt ziemlich behaglich; aber dann sprach sie trotzdem, und damit war es mit der Behaglichkeit aus, aber sie konnte nicht anders. „Grey wünscht sich ein Kind von mir.”
„Hab’ ich gehört.” Shadith legte einen Arm hinter ihren Kopf, lehnte sich dagegen, wandte ihr Gesicht Aleytys zu. Ihre Lippen krümmten sich zu einem raschen Lächeln, das schnell wieder verblaßte. „Was ist mir dir?” Wieder dieses Lächeln. „Du bist diejenige, die das Kind bekommt.”
„Ich weiß es nicht”, murmelte Aleytys in ihren Becher. „Wenn ich daran denke, was mit meinem Sohn passiert ist… Warum noch eine Mißgeburt zur Welt bringen?”
Shadith rekelte sich, ließ ihren Arm zurücksinken. „Hör mal, ich habe nie bedauert, daß ich lebe, und mir ist ja auch einiges zugesto
ßen. Man überlegt sich, was man wirklich will, und dann zum Teufel mit all dem, was passieren könnte.” Sie winkelte ein Bein an, trommelte mit den Fingern auf das Knie. „Was glaubst du, wie weit ist das Tal noch entfernt? Wir sollten zusehen, daß wir ein paar Stunden vor Morgengrauen dort sind, denke ich. In der Zeit schlafen die Menschen im allgemeinen am tiefsten. Diese Frauen jagen mir eine Heidenangst ein. Gift. Widerlich. Insekten. Würgeranken. Gott weiß, womit sie auf heimischem Boden noch aufwarten können. Denk daran, was Hana gesagt hat. Sie und ihresgleichen haben es mit einer kompletten Singarit-Streitmacht aufgenommen, und mit Waffen, mit der man diese ganze verflixte Welt wegpusten könnte. Mit Kämpfern, die ihre eigene Luft geatmet haben. Mit bewaffneten und gepanzerten Gleitern. Denk darüber nach.”
Aleytys bewegte sich nervös. „Mach’ ich. Auch wenn ich es lieber nicht tun würde.” Sie fuhr sich über die Augen. „Ein Ritt von ein paar Stunden, würde ich sagen. Machen wir drei Stunden daraus, um sicher zu sein. Madar, bin ich müde.” Sie erschlug eine Stechmücke auf ihrem Arm. „Bisher war es leicht. Ziemlich leicht.” Sie wedelte ärgerlich vor ihrem Gesicht, um die Mücken zu vertreiben, die dort kreisten. „Insekten. Die Ebene ist ausgestorben
- jedenfalls bis auf Gespenster.” Sie schüttelte sich. „Gespenster.
Und Knochen.” Sie drehte sich um, streckte die Hand aus und berührte einen Zweig. Mit einem angestrengten Knurren richtete sie sich
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