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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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leer und frisch
bezogen. Auf dem Flur klapperte Geschirr. Es roch säuerlich. Vielleicht nach
Krankheit und nahem Tod. Vielleicht auch nur nach dem Mittagessen, das
unberührt auf dem Nachttisch stand.
    Â»Da ist dieses Arschloch auf dem Rad gewesen«, murmelte
Hauptkommissar Beierlein mit geschlossenen Augen. »Ich weiß es noch genau, weil
es am Abend vor meiner Operation war. Nachmittags hab ich noch ganz normal
Dienst geschoben. Obwohl der Arzt gesagt hat, ich soll mich schonen. Aber was
hilft Schonen gegen Krebs, frag ich Sie? Man muss doch was tun. Man wird doch
verrückt, wenn man nur rumhockt und sich schont. Und wie ich abends heimkomm,
da kann ich nicht auf meinen Stellplatz neben meinem Haus fahren, weil
irgendein Depp die Einfahrt zugeparkt hat. Und bis ich dann endlich einen
Parkplatz irgendwo am Straßenrand gefunden hab, war fast eine Viertelstunde
rum. Ich geh also zurück, das Handy in der Hand. Wollt die Kollegen anrufen,
damit sie den Angeber-BMW von diesem Knallkopf abschleppen. Da hat es grad
angefangen zu regnen, und da fährt mich dieses Arschloch auf seinem Rad
praktisch über den Haufen. Ohne Licht natürlich. Und telefoniert hat er auch
noch beim Fahren. Die glauben ja alle, das Handyverbot gilt nur im Auto.«
    Â»Können Sie den Mann auf dem Rad beschreiben?«
    Â»Ich hab mir den natürlich gleich gegriffen, vom Rad runter und
zack. Damals hab ich ja noch ein bisschen mehr Kraft in den Knochen gehabt. Und
ihm ordentlich den Marsch geblasen. Ich hab ja noch die Uniform angehabt. Der
Spinner ist furchtbar aufgeregt gewesen, hat sich andauernd entschuldigt und
wollt unbedingt weiter. Furchtbar eilig hat der’s gehabt. Aber so nicht, Freundchen,
hab ich mir gesagt, so leicht kommst du mir nicht davon. Nicht bei Friedrich
Beierlein. Die, die’s so eilig haben, die haben meistens Dreck am Stecken. Die
sind am schlimmsten gestraft, wenn man ihnen ganz besonders gründlich und lang
ins Gewissen redet.«
    Allmählich fühlte auch ich mich gestraft. Der Kranke atmete mühsam.
Das Klappern auf dem Flur hatte aufgehört. Eine junge Frau schimpfte lachend
über irgendeine Schlamperei. Endlich hatte der Todkranke genug Kraft gesammelt,
um weiterzusprechen.
    Â»So hab ich’s dann auch gemacht. Ihm lang und breit erklärt, das die
StVO auch für Radfahrer gilt und dass Fahren ohne Licht bei uns immer noch
verboten ist und Telefonieren sowieso und so weiter und so weiter. Hat er auch
alles eingesehen. Der hat so ein schlechtes Gewissen gehabt, dass es zum Himmel
gestunken hat. Normalerweise werden die Burschen ja gleich frech. Und wenn man
Glück hat, dann kann man sie einbuchten wegen Beamtenbeleidigung oder so. Der
aber nicht. Der hat immer alles sofort zugegeben, er hätt aber kein Geld, um
einen Strafzettel zu bezahlen, und dabei war ich ja gar nicht mehr im Dienst
gewesen, aber das hat der natürlich nicht wissen können. Und dann sind auch
noch die Kollegen gekommen, sogar mit Blaulicht, um sich den BMW vorzuknöpfen …«
    Â»Der Mann auf dem Rad«, fiel ich ihm ins Wort. »Wie hat er
ausgesehen?«
    Â»Diese Burschen sehen doch alle gleich aus. Nicht mehr ganz so jung.
Anfang, Mitte dreißig. Es war ja schon dunkel gewesen. Und geregnet hat’s mit
jeder Minute mehr. Und die Straßenlaterne bei unserem Haus ist auch kaputt,
seit Ewigkeiten, und dabei hab ich schon x-mal angerufen. Aber so viel hab ich
sehen können: Kräftig gebaut ist der gewesen und ziemlich groß. Mindestens eins
achtzig. Und so einen schwarzen Kapuzenpulli hat er angehabt und schwarze Jeans
und Sportschuhe. Wie diese Chaoten halt so aussehen.«
    Das wurde ja immer schöner.
    Â»Aber der immer nur: Jaja. Er wird’s bestimmt nie wieder tun, und:
Bitte, bitte, lassen Sie mich doch laufen, nur dieses eine Mal noch. Und wie
dann auch noch die Kollegen kommen, mit Blaulicht, da hat er erst recht Schiss
gekriegt. Hat wohl gedacht, jetzt ist er dran.«
    Da hatte Adrian Horstkotte wohl einen schlechten Tag gehabt. Oder
Beierlein hatte deutlich mehr Eindruck auf ihn gemacht als ich. Ich würde es
herausfinden. Wenn irgend möglich, heute noch.
    Â»Man spürt das ja, als Polizist, wenn was nicht stimmt«, murmelte
Beierlein, inzwischen schon wieder im Halbschlaf. »Drum hab ich mir dann auch
noch sein Rad von allen Seiten angeguckt. Ist kein teures gewesen. Ein
Mountainbike von Aldi. Mein Jüngster hat früher

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