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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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worden, zu der mindestens fünfzigtausend Teilnehmer erwartet wurden.
    Die Zwillinge waren wieder einmal unterwegs. Und das Thema Pille
immer noch nicht geklärt.
    Inzwischen war ich fest entschlossen, sie bei nächster Gelegenheit
darauf anzusprechen, auch wenn mir ein wenig davor graute. Ich musste einfach
wissen, wer der Mistkerl war, für den meine kleine Louise plötzlich jeden
Morgen ein Verhütungsmittel schluckte mit wer weiß wie vielen Nebenwirkungen
auf ihren unschuldigen jungen Körper.
    Doch als sie später nach Hause kamen, waren sie so gut gelaunt und
ich so müde, dass ich das Gespräch auf den nächsten Tag verschob.

35
    Am Mittwochmorgen stand all das in der Zeitung, was ich
dort auf keinen Fall hatte lesen wollen. Stober war leider wesentlich intelligenter,
als er aussah.
    Â»Zweiter Toter identifiziert«, lautete die klotzige Überschrift.
»Hintergrund geplanter Terroranschlag?«
    Stober schrieb, von Arnstedts Mutter habe auf Nachfrage bestätigt,
dass sie vor Monaten den Kontakt zu ihrem Sohn verloren und er sich
wahrscheinlich einer Terrorgruppe angeschlossen habe. Ich war überzeugt, dass
sie das ein wenig anders formuliert oder gemeint hatte, als es nun zu lesen
war. Anschließend ergoss sich der Journalist in dunklen Vermutungen. Prochnik
blieb nicht unerwähnt und seine angebliche RAF-Vergangenheit ebenso wenig. Das
Motiv des drohenden Anschlags sei wohl in Umweltfragen zu suchen. Schließlich
seien die USA in diesem Feld nicht gerade ein leuchtendes Vorbild für die Welt
und Ron Henderson ein führender Repräsentant jenes Teils der Vereinigten
Staaten, der die drohende Klimakatastrophe als Hirngespinst kommunistischer Spinner
abtat.
    Irgendwie hatte Stober auch herausgefunden, dass Jonas Jakoby und
Peter von Arnstedt sich gekannt hatten. Da lag die Vermutung nicht fern, auch
Jakoby könnte Mitglied der Verschwörergruppe gewesen sein. Dies lege zudem der
Umstand nahe, dass er bei seinem Sturz vom Dach, an dem die Polizei
möglicherweise nicht ganz schuldlos war, eine Waffe mit sich führte, mit der er
am Tag zuvor während seiner filmreifen Flucht über die Autobahn auf einen
Kriminalbeamten geschossen hatte. Dass es sich bei dieser Waffe um einen
Schreckschussrevolver handelte, wusste Stober natürlich auch. Aber er hatte es
wohl nicht so wichtig gefunden.
    Was ich in dem die halbe erste Seite füllenden Artikel jedoch nicht
las, war der Name Judith Landers.
    Â»Es stimmt nicht«, sagte Helena, die heute wieder im Büro
war.
    Â»Was stimmt nicht?«, fragte ich, während ich meinen Mantel an die
Garderobe hängte. Das Wetter war deprimierend an diesem Morgen. Dicke,
dunkelgraue Wolken hingen im Neckartal und fanden keinen Weg hinaus. Die Bäume
troffen vor Nässe. Während der Nacht war eine Sturmfront über Süddeutschland
hinweggebraust und hatte hie und da Dächer abgedeckt und Bäume entwurzelt.
    Â»Was in der Zeitung steht. Wir hätten keinen Hinweis darauf, dass
Prochnik Kontakte zur RAF hatte. Er kannte Judith.«
    Â»Zu einer Zeit, als sie mit der RAF noch nichts am Hut hatte.«
    Â»Sieh dir das hier bitte an.«
    Offenbar waren wir immer noch beim Du. Ich trat hinter sie und sah
über ihre Schulter. Achtete darauf, ihr nicht zu nah zu kommen.
    Auf ihrem Bildschirm war eine gerade, schmucklose Straße zu sehen,
an deren Rand Autos parkten. Rechts und links hinter baumlosen Vorgärtchen
identisch aussehende Einfamilienhäuser im Stil der Sechzigerjahre. Auffallend
wenige Autos standen am Straßenrand. Und allesamt Oldtimer. Erst beim dritten
Blick wurde mir klar: Die Aufnahme war Jahrzehnte alt. Helena fuhr mit dem
Mauszeiger auf eines der Häuschen am linken Bildrand, vergrößerte den
Ausschnitt. »Hier hat Prochnik von vierundachtzig bis dreiundneunzig gewohnt.«
    Â»Aha.«
    Jetzt erst fiel mir das kleine Auto ins Auge, ein feuerwehrroter
Fiat Cinquecento. Mit etwas gutem Willen konnte ich sogar das Heidelberger
Kennzeichen entziffern.
    Â»Wann wurde die Aufnahme gemacht?«
    Helena lehnte sich zurück. »Fünfundachtzig«, sagte sie erschöpft.
»Vier Wochen, bevor Judith in den Untergrund ging. Ich habe es von ehemaligen
Nachbarn Prochniks, die früher in der Straße wohnten. Heute leben sie in Worms,
und es hat mich drei Tage gekostet, sie zu finden und ihnen dieses Foto
abzuschwatzen.«
    Ich unterdrückte den Drang, mich zu

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