Die falsche Frau
finden. Heute war ich guter Dinge.
»Sie besitzen ein Handy?«, lautete meine erste Frage.
»Gibtâs noch Leute, die keines haben?«
»Wo ist dieses Handy jetzt?«
»Keine Ahnung«, erwiderte er mit Blick zur Decke.
Er sprach leiser als bei unserem letzten Gespräch. Kraftloser. Die
Haft, die Einsamkeit der Zelle zeigten Wirkung.
»AuÃerdem besitzen Sie ein orangefarbenes Mountainbike.«
»Besitzen kann man nicht sagen«, brummte er. »Das Bike hat âne
Ewigkeit herrenlos vor dem Haus rumgestanden. Irgendwann habe ich Mitleid
gekriegt. Hab es ein wenig hergerichtet und später auch manchmal benutzt.
Wahrscheinlich ist es geklaut. Aber nicht durch mich.«
»Mit diesem Rad sind Sie am Abend des neunten September in Kirchheim
gesehen worden. Was wollten Sie dort?«
»Was haben Sie denn an dem Abend gemacht?«, fuhr er mich an.
»Sie sind dort von einem Polizisten angehalten worden. Der Kollege
hat Sie ermahnt, weil Sie während der Fahrt telefoniert haben und ohne Licht
unterwegs waren.«
»Wenn Sie das sagen, dann wirdâs wohl stimmen.«
»Ihr Handy war in der Nacht nachweislich dort.«
»Na dann.«
»Herr Horstkotte, Sie stehen unter dem dringenden Verdacht, in dieser
Nacht zwei Menschen getötet zu haben. Sie waren in der Nähe des abgebrannten
Hauses. Ich habe zwei Zeugen, die Sie dort gesehen haben.«
Er grinste müde. »Dann ist ja alles geritzt, wenn Sie so viele
Beweise haben.«
»Sie geben also zu, in der Nähe des Hauses gewesen zu sein?«
»Wenn es Sie glücklich macht.«
»Sie geben es zu?«, wiederholte ich meine Frage. Irgendetwas lief
hier nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»ScheiÃe, ja«, knurrte er und starrte mit leerem Blick auf den
Tisch. »Ja, ich war dort.«
»Zu welchem Zweck?«
»Na, was wohl?«, brauste er auf. »Das Ding abfackeln.«
»Wie genau haben Sie das gemacht?«
»Ich bin rein, habe den zwei Typen was auf die Birne gegeben und
Feuer gelegt. Nicht so kompliziert, oder?«
»Was wissen Sie über die Pläne der beiden?«
»Nichts.«
»Warum wollten Sie sie dann umbringen?«
»Weil ich Bock hatte, mal wen umzulegen. Mal was Neues.«
»In welcher Beziehung standen Sie zu den beiden?«
So ging es eine Viertelstunde hin und her. Horstkotte gestand alles,
was ich ihm vorwarf, und wusste nichts. Als ich meine Papiere zusammenschob und
mich verabschiedete, war ich überzeugt, dass er log.
Sönnchen erwartete mich mit bedrückter Miene und gleich
mehreren Neuigkeiten. Ich bat sie, mit der besten anzufangen: Klara Vangelis
hatte eine Liste der Nummern gemailt, die in der Brandnacht auf Horstkottes
Handy gewählt worden waren.
AuÃerdem hatten die bayerischen Kollegen am frühen Morgen auf der
Autobahn A 8 einen Opel mit Frankfurter Kennzeichen überprüft, der kurz hinter
der Ausfahrt Zusmarshausen verlassen am Rand der Autobahn stand. Der Wagen war
fahruntüchtig und unverschlossen. Wie es aussah, hatten die Insassen ihn stehen
lassen und sich zu Fuà verdünnisiert, als der Motor streikte. Unter den
Rücksitzen fanden die Kollegen gut versteckt drei Kilogramm Sprengstoff mit
russischer Beschriftung.
Zwei Stunden später wurden am Bahnhof eines Ãrtchens namens
Dinkelscherben zwei südländisch aussehende junge Männer festgenommen, die sich
hartnäckig weigerten, zu sagen, woher sie kamen. Beide waren im Libanon geboren
und studierten an der Universität Hamburg-Harburg. Dort, wo auch Mohammed Atta
sein Diplom gemacht hatte, einer der Piloten des elften September. Laut den
Fahrkarten, die die beiden Studenten gelöst hatten, wollten sie nach Stuttgart.
Derzeit wurden sie in der Polizeidirektion Augsburg durch die Mangel gedreht.
Die dritte Nachricht besagte, dass die Fahndung der Mannheimer
Kollegen nach David Hinrichs alias Abu Thala bislang erfolglos geblieben war.
Inzwischen war er angeblich auch in Freiburg und Darmstadt gesichtet worden.
SchlieÃlich â das war die letzte Nachricht auf Sönnchens Liste und
der Grund ihrer Niedergeschlagenheit â hatte die Intensivstation angerufen.
Jonas Jakoby war wenige Minuten, nachdem ich die Klinik verlassen hatte,
gestorben. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, und alle Reanimationsversuche
und ärztlichen Künste waren vergebens gewesen.
Das musste ich erst einmal verdauen. Ich bat um einen
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