Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
zwei
weiteren Telefonaten stand fest: Es war sein Rad. Möglicherweise war er in der
Brandnacht in der Nähe des Hauses gewesen. Mein Gefühl hatte mich nicht
getrogen.
    Plötzlich hatte ich gute Laune. Aber bevor ich mir den Burschen
wieder vorknöpfte, wollte ich ganz sicher sein. Ein Mountainbike war noch kein
Beweis. Aber wer weiß, vielleicht lieferte mir Vangelis ein weiteres Indiz.
Deren Ergebnisse ließen allerdings weiter auf sich warten.
    Gegen Abend erschien ein diesmal sichtlich mit sich
zufriedener Rolf Runkel bei mir. Er hatte in der Zwischenzeit sämtliche Geschäfte
abgeklappert, vor denen Jakoby seine Mundharmonika und das Gehör der Passanten
misshandelt hatte.
    Â»Ein paar Mal ist er nicht allein gewesen«, erklärte er. »Manchmal
ist noch ein anderer dabeigewesen, und der hat gesungen. Sie haben
hauptsächlich Bob Dylan gespielt und so Sachen. The answer is blowing in the
wind.«
    Ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, mein vor Aufregung
schwitzender Untergebener könnte mit dem Namen Bob Dylan etwas anfangen.
    Â»Weiß man schon, wer dieser Sänger war?«
    Â»Wenn der Zweite dabei gewesen ist, dann hat es sich nicht gar so
grauslig angehört. Drum haben sie dann auch nicht die Polizei geholt.«
    Â»Kennt jemand den Namen?«
    Â»Das nicht. Aber ich hab eine super Beschreibung!«
    Der Sänger war etwa zwanzig Jahre alt, schlank, schmales Gesicht.
Der einzige Mensch, der mir spontan dazu einfiel, war Peter von Arnstedt.
    Eilig suchte ich die Handynummer von Selma Mangold in
meinem Laptop.
    Wieder einmal erreichte ich sie auf dem Fahrrad. Wie üblich war sie
in Eile, weil spät dran.
    Â»Jonas?«, erwiderte sie atemlos auf meine Frage hin. »Den Namen
kenne ich, ja.«
    Â»In welcher Beziehung stand er zu Ihrem ehemaligen Freund?«
    Â»Die beiden haben sich … na ja, gekannt eben.«
    Bei den letzten Worten hatte sie im Gegensatz zu ihren Gewohnheiten
langsam gesprochen.
    Â»Nur gekannt?«
    Â»Sage ich doch.« Das Thema schien ihr aus irgendeinem Grund
unangenehm zu sein. »Gekannt eben. Wieso nicht?«
    Ich hörte Verkehrsrauschen und Fahrtwind. Eine Straßenbahn
quietschte. Als Nächstes quietschte eine Fahrradbremse. Das Sausen des Winds
erstarb.
    Â»Na gut, okay.« Die Stimme der jungen Frau klang jetzt anders als
zuvor. Entschlossener. »Peter und ich. Die Trennung. Es war … Der Grund war …«
    Â»Doch nicht etwa Jonas Jakoby?«
    Â»Anfangs waren die beiden wirklich nur Kumpels. Nicht mal richtige
Freunde. Peter hat sich sogar über Jonas lustig gemacht. Aber dann war dieser
Abend im April. Peter war allein auf einer Party. Eine Freundin hatte ihren
Master gemacht, und ich hatte an dem Abend irgendwie keine Zeit. Und am
nächsten Morgen, da war Peter … auf einmal war alles anders.«
    Für Sekunden hing sie schmerzhaften Erinnerungen nach.
    Â»Wir haben nie darüber gesprochen. Es ging nicht. Ich habe es zwei,
drei Mal versucht, aber bei dem Thema hat er voll geblockt. Ein paar Wochen
später haben wir uns dann getrennt. Nein, nicht getrennt. Peter ist sang- und
klanglos verschwunden. Wie ich abends heimkam, waren seine Sachen weg. Am
nächsten Morgen eine kurze SMS. Es war ja schon vorher nicht mehr so doll gelaufen
mit uns. Peter war … wie soll ich sagen? Auf der Suche. Nicht nur, was den Sex
betraf. Irgendwo war er immer noch ein Kind. Ein ziemlich narzisstisches Kind.
Wirklich geliebt hat er im Grunde nur sich selbst.«
    Am Abend gab es erneut eine unangemeldete Demonstration in
der Altstadt. Wieder war der Anlass die angebliche Ermordung von Jonas Jakoby
durch die Polizei, die im Interesse des internationalen Großkapitals über
Leichen ging. Dabei war Jakoby immer noch am Leben, hatte ich erst am späten
Nachmittag durch einen Anruf im Klinikum erfahren. Er lag im Koma, Kreislauf
und Atmung arbeiteten selbstständig, mehr konnte man im Moment nicht sagen.
    Heute ging es zum Glück ohne Verletzte ab, hörte ich, als ich längst
zu Hause war, auf dem Westbalkon einen letzten Rest Abendsonne genoss und über
Theresa nachdachte und über mich selbst und was eigentlich plötzlich zwischen
uns gefahren war. Die Demonstration war kleiner als die erste, die Polizei
dieses Mal vorgewarnt. Aber es würde nicht die letzte gewesen sein. Für den
Samstag vor Beginn der Wirtschaftsgespräche war eine Großdemonstration
angemeldet

Weitere Kostenlose Bücher